California X – California X
Was tun, wenn man J Mascis Wirken quasi mit dem Grundwasser aufgesogen hat, aber trotzdem lieber Powerpop hört, obwohl man Punkrocker ist und im Herzen Sludge-Metal schlägt? California X wissen es auch nicht so genau – machen aber ganz einfach mal!
Deswegen knallen sie einem von der ersten Sekunde an die fettest bratzenden Rock’n’Roll Riffs mit derart nachhakendem Wums vor den Latz, dass selbst den Säulenheiligen die Kinnlade hinabkippt: die Melvins wundern sich, wie derart fiese Schleudern aus der Gitarre so gut gelaunt und schon irgendwo fröhlich explodieren können; Dinosaur Jr. müssen an Deep Wound denken und lernen etwas über Mäßigung ohne sich zurücknehmen zu müssen (und natürlich: nicht jeder kann ein J Mascis sein, selbst, wenn man auch aus Amherst stammt); und die knackigen Poppaten Torche lächeln am anderen Ende über derart exaltiert ausgewalzt anmutende aber eigentlich kompakte Strukturen, ohne deswegen gleich von Jamcharakter reden zu müssen.
Varianz ist natürlich nicht das Ding von California X, da kann auch das nette Klavierintermezzo nach ‚Spider X‚ keinen Bären aufbinden, zumal ‚Lemmy’s World‚ dann gleich besonders energisch in die Felle drischt. Dennoch rasen die 8 Songs in ihrer Frische und Dynamik schon beinahe progressiv einher, wie da permanent noch ein geschwindigkeitskorrigierender Haken geschlagen wird (‚Mummy‚ etwa wäre anderswo sicherlich zur melancholischen Halbballade gewachsen), der freilich trotzdem sofort wieder schnurstracks auf den langen Highway des sonnig-metallenen Punk’n’Roll führt. Auf diesem pressen California X ein derart überschäumendes Maß an Leidenschaft und Verzweiflung in unaufhaltsame Songs, denen man ob ihrer Power nicht Glauben möchte, dass hier bloß drei Handwerker wüten – stimmt aber, hier waren Vorstand Lemmy Gurtowsky (Gitarre, Gesang), Dan Jones und Cole Lanier noch zu dritt, Zweitgitarrist Zack Brower stieg erst Tage nach der Veröffentlichung ein. Eventuell ja ein personelles Zugeständnis, um die massiv nostalgischen Brocken adäquat auf die Bühne bringen zu können.
All das Heulen, all die headbangenden Riffs, all der unscharf unter der Distortion hervorquellende, zuckersüße Lärm – das packt nur eine Gitarre alleine eventuell nicht – glaubt man schon. Der euphorisch verträumte aus der zweiten Reihe hervorgeschrieene Gesang bleibt da irgendwo charmanter Rechtfertigungsgrund, um nicht in den harten, rhythmusgetriebenen Noiserockfluten unterzugehen – letztendlich aber ein so melodischer wie freundlich angenommener Ankerpunkt in dem wilden Ritt ‚California X‚. Und irgendwann will man da doch plötzlich mitgröhlen, „I want a pond to rot in!“ etwa, und nicht mehr nur Luftgitarre spielen und obskure Schlagzeugabfahrten in die Umgebung dreschen. Nein, unter all dem energischen Drang nach Vorne steckt ein gar nicht so ungeschicktes Händchen für Powerpophooklines und fetzige Melodien, California X locken mit versalzenem Zuckerbrot und sympathischer Peitsche zur selben Zeit.
So mutiert die Visitenkarte von California X zu einem prächtigen Versprechen an die Zukunft der Grenzlande zwischen punkigem Sludge und poppigem Metal, der man via Facebook gleich einen Keil vorschieben will: „When we get 1000 likes, we will stop being a band„. Knapp hundert Klicks bleiben im Ernstfall noch, und diese werden Angesichts dieses Debüts zwangsläufig nicht mehr lange auf sich warten lassen.
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