Calexico – Seasonal Shift

von am 25. Dezember 2020 in Album, Sonstiges

Calexico – Seasonal Shift

Weihnachtsmusik im Tex-Mex und Americana-Gewand: Calexico übersetzen die Form von The Thread That Keeps US mit Seasonal Shift in ein Christmas-Album, das (vielleicht nicht thematisch, aber musikalisch zumindest über weite Strecken) notfalls auch das gesamte Jahr über funktionieren kann.

Derartig saisonale Veröffentlichungen wie Seasonal Shift stehen ja generell im Ruf, ausgeklungenen Karrieren weniger kreative, als vielmehr noch einmal finanzielle Impulse abzuringen. Über derartigen Vorurteilen stehen Calexico ja, wenngleich Jahre von ihrer eigentlichen Hochphase (und Giant Sand) entfernt, mit einer bis heute ausfallfreien, zuletzt auch wieder qualitativ noch einmal nach oben zeigenden Diskografie, gewissermaßen von vornherein.
Weswegen sich Joey Burns und John Convertino auch keinen Strick draus stehen, wenn etwa das schunkelnd durch die Wüste schippernde Heart of Downtown (mit Bombino als Gast) wie ein lose adaptiertes Update der Feast of Wire-Ära klingt und auch Nature’s Domain aus dem Nachlass der 2003er Platte stammen könnte, wenngleich kompositorisch deutlich weniger nachhaltig, sondern auf einnehmende Weise vergänglich, so wie Calexico eine ruhige und zerbrechliche, auch nostalgische Romantik zelebrieren. Will man Seasonal Shift vorwerfen, dass die Band aus Tuscon sich immer wieder auch ohne inspirierte Initialzündung auf ihre formvollendete Ästhetik und Atmosphäre verlässt, stimmt das durchaus. Das macht den universellen Reigen aber kaum schwächer.

Nur ganz am Ende der Platte droht der vielerorts in derartigen Gefilden prolongierte Offenbarungseid: Im Verbund mit Camilo Lara ist Sonoran snoball mit seinen Indietronic-Texturen, sediert-hibbeliger Pop-Flapsigkeit, komplett deplatzierter Rap-Passage und aus dem Kontext stolpernder E-Gitarren-Breitseiten-Andeutung ein Totalausfall und Mi burrito sabanero (Reprise) direkt danach ein so nerviger wie redundanter Aufguss mit enervierenden Glückwünschen und Grußbotschaften: selbst ein Durchgang ist da Zuviel des guten.
Was für die ursprüngliche Version des Hugo Blanco-Covers absolut nicht gilt, da Gaby Moreno Mi burrito sabanero mit viel Tuki Tuki-Verve tanzen lässt. Auch die anderen beiden Fremdkompositionen fügen sich fein ein: Die flott nach vorne gehende Tom Petty-Verneigung Christmas All Over Again behält sich einen besinnlichen Twang, in Happy Xmas (War Is Over) verheben sich Calexico nicht an einem der vielen längst zu Tode gecoverten Songs aus dem Repertoire von John Lennon, sondern umgarnten ihn mit Würde im patentierten Signature Sound, und liefern so ohne tatsächliche Relevanz eine schön rührselige, aber unkitschige Interpretation.

Vor allem die Originale überzeugen jedoch in einem homogenen, kurzweiligen Ganzen. Hear the Bells schwelgt mit weihevollen Streicher- sowie Bläser-Arrangements und Bodenständigkeit, taucht den MO der Band in ein schummriges Licht. Der Highlight-Titelsong ist eine verträumt-schwofende Anmut mit einem zärtlich hymnischen Finale, Glory’s Hope eine mysteriöse, instrumentale Bohren-Annäherung, Tanta tristeza (mit Gisela João) eine entspannte Halluzination, weich und verführerisch und unverbindlich, bevor Peace of Mind als eigentlich idealer Closer wie eine Erinnerung an die vage Idee der 60s in der Calexico-Wohlfühlzone funktioniert.
Auch wenn Seasonal Shift generell in dieser veranlagt keine Revolution oder Frischzellenkur darstellt, und auch sicher davon profitiert, gefühlt außerhalb der regulären Studioalben wahrgenommen zu werden, zelebrieren Burns und Convertino eine absolut befriedigende Zuverlässigkeit, deren 40 Minuten man von jetzt an vor allem, aber nicht nur, zu Weihnachten absolut zu schätzen wissen wird.

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