Burial – Chemz / Dolphinz

von am 22. Mai 2021 in EP

Burial – Chemz / Dolphinz

Eine Club-Nacht im Zeitraffer und sein ambienter Ausklang: Burial bündelt nach langem Vorlauf sein Doppel aus Chemz mit dem Nachzügler Dolphinz – ohne für die Wartezeit restlos befriedigend zu entlohnen.

Das ist insofern zu verstehen, als dass der klar bessere der beiden Tracks schon seit 2020 als alleinstehende Single bekannt ist, und das nun nachgelegte Dolphinz nur einem latent ernüchternden Konterpart gleichkommt.
An der Klasse von dem vor Monaten auf sich alleine gestellten veröffentlichten Chemz hat sich derweil nichts geändert: Burial inszeniert und zelebriert seine immer weiter wachsende Liebe zur Tanzbarkeit zwischen House, 2-Step und Future Garage mit den patentierten Signature Sound-Manierismen, um eine seiner stärksten Nummern jüngerer Vergangenheit abzuliefern. Chemz hat eine benebelte Euphorie und Dinglichkeit, verwebt drei kompositionell Segmente zu einem progressiven Ganzen (auch wenn die Nahtstellen zwischen den einzelnen Parts weniger offenkundig oder schubartig ausfallen hätten könnten, entstehen wegen der eiligen Gangart keine gravierende Brüche).

Mit seinen gepitchten Samples klingt das erst in etwa, als würde The Weeknd (diese „I’m so addicted to love now“-Hook!) von einem somnambulen Rave der 90er fantasieren, mit smooth klackernden Beats und verwaschenen Endorphin-Synthies treibend, catchy und griffig. Irgendwann taucht die Illusion einer saxofonartig spielende Gitarre auf, bleibt aber nur flüchtiger Akzent, beinahe willkürlich in die pushende Nostalgie und Melancholie kitzelnd. Nach knapp sechs Minuten färbt sich Chemz plötzlich düsterer, dreht Spannung dunkler an und schimmert über seinen stakkatohafter kommenden, wummernden Rhythmus mit packendem 80er Flair, bevor die letzten Meter dezimiert auf Überholspur biegen, hibbeliger flimmernd beinahe hektisch zum Space-Spielhallen-Tumult.
Das eigentlich faszinierende an dem Sog, dem assoziativen und bildreichen Zug, den die Nummer entwickelt, ist allerdings wohl, dass Burial entlang der Samples und drei Abschnitte nach und nach weniger wie ein von Liebesgefühlen beflügelter Romantiker wirkt, denn als ein sich immer manischer in seine Obsession hineinsteigernder Getriebener.

Das lange angekündigte, hier nun nachgereichte Dolphinz fühlt sich auch deswegen ein bisschen wie ein schlitzohriger Stinkefinger an – nicht wegen seiner stilistischen Ausrichtung als Ambient-Track (die B-Seite seiner Single-EP-Hybrid-Formate bestückt Burial ja gerne damit), sondern mit der qualitativen Beschaffenheit.
I love dolphins“ lässt der Ambient via wie in Zeitlupe oszillierenden (Wahl)gesang-Imitationen wissen, ätherisch und andersweltartig entrückt, schon stimmungsvoll. Hinter Stereotypen des Rauschens und Knisterns von Vinyl plätschert und mäandert der Minimalismus jedoch unausgegoren, wenn plötzlich Synthschaden auftauchen und teilnehmslos wieder verschwinden, und funktioniert als das, was es sein soll – ein Soundtrack für das Kopfkino – einfach nicht nur bedingt, weil nicht restlos atmosphärisch fesselnd oder tiefgründig imaginativ. Der fantastische sakrale Appendix deutet zwar eine versöhnlich erhebende Glorie an, erweist sich aber als spontan auftauchende und schnell wieder verschwindende Finte zu einem Field Recording-Appendix, der den Eindruck noch einmal verstärkt, es hier eher mit einem saloppen, aber mit aller nötigen Ernsthaftigkeit ausgebreiteten Insider-Joke zu tun zu haben zu können. Sicher aber mit einem nur durschnittlichen, seine Ideen nur ungenügend konsequent umsetzenden Genre-Score.

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