Brutus – Unison Life
Brutus öffnen ihren zwischen den Post-Maßstäben des Rock, Metal und Hardcore liegendes Amalgam auf Unison Life für eine breitere Hörerschaft, ohne die Essenz ihres Sound zu verwässern. Und es gibt glitzernde Glockenspiel-Effekte!
Ganz im Ernst: wer auch immer dachte, dass bei nahezu jeder einzelnen Nummer des Albums noch der zauberhaft perlende Schimmer des Glockenspiels aus verzierendes Element nötig gewesen ist, leidet entweder unter einer schadhaften The Cure-Obsession und/oder hat Unison Life sowieso nichts gutes getan. Einmal gehört nervt das omnipräsente Element jedenfalls mit unnötiger, wirklich gar nichts zu den Songs an sich beitragenden Regelmäßigkeit – das ist nicht so unmöglich zu überhören wie beispielsweise das Long Red-Sample auf Born to Die, aber dennoch…
Ein paar andere Adaptionen des Sounds funktionieren dagegen ziemlich famos: Auf seinem dritten Langspieler klingt das Trio aus Belgien melodischer und zugänglicher als bisher, gerade wenn sich der Zug zum Alternative Rock ergibt. Das straighte, ohne Pause durchgezogene Victoria erinnert als Parade-Single etwa an flotte Thrice mit emotionaler 90er-Kante, bündelt unter seinem kraftvollen Fokus jedoch auch eine nostalgische Ader, die etwas verträumt beschwörendes, hymnisch flehendes transportiert. Ein Weg, den auch das bisweilen funkelnde, im zurückhaltenden Tempo trabende Chainlife wählt, nachdem Liar als rapider Kurswechsel zwischen trauriger Einkehr und rasend nach vorne ziehender Wucht dagegen mit der Griffigkeit von Dredg zeigt, dass die Tourkumpels von Cult of Luna in den Riffs ebenso Spuren hinterlassen haben wie der stellar schwimmende Math von And So I Watch You from Afar in den Leads, während der starke Schlusspunkt Desert Rain epochal wirbelnde Godspeed-Tendenzen in seiner kompakten Achterbahnfahrt erzeugt.
Das erst nachdenklicher im sich gehende What Have We Done ist ein Ohrwurm sondergleichen – er holt als potentielle Zuschaueranimation sogar alle für eine betone Hymne an Bord, um (strukturell in zwei jeweils sehr eingängige Schübe gegliedert) als geteiltes Gemeinschaftsgefühl mitzumachen. Während man jede Sekunde die einsetzenden Streicher und den Orchester-Bombast erwartet, verkneifen sich Brutus dieses Klischee, stürzen sich im getragenen Tempo lieber in die „For too long, been dying inside“-Katharsis der langgezogenen Vokale – was live sicher erschöpfend-erfüllende Laune macht, auf Platte aber halt auch ermüdend vorschlaghammerartig konstruiert wirkt, zumal der postrockig-majestätisch strahlend gedachte Klimax gesanglich eine kaum zwingende Geste bleibt.
Abseits davon kann Unison Life nach dem im Wellengang aus dem hart und zart, laut und leise wechselwirkenden Intro-Pendel Miles Away auch sonst einige Mankos nicht ablegen, die bereits Burst und Nest als subjektive Störfaktoren beeinträchtigten.
Die Rhythmik des Schlagzeugspiels ist immer noch zu eindimensional, auch wenn die Bandbreite merklich gestiegen ist, die Simplifizierung nun auch oft den Harmonien und Melodien dient. Storm marschiert mit zu typischer Rhythmusarbeit (zumal auch die „for too long“-Phrase an dieser Stelle des Verlaufs schon abgenutzt ist), doch die sehnsüchtigen Gitarren wiegen dies vor allem im Chorus und der Bridge mit ergiebigem Panorama auf. Das im Baukasten verpackte Dreamlife hätte wunderschön flehend geraten können, ist aber zu formelhaft inszeniert, und Dust als wütender galoppierendes Ventil überzeugt vielleicht hat als eilig und dringlich veranlagter, energischer Klopper, frustriert aber auch dahingehend, dass die Gitarren durchaus symptomatisch nicht auf ihre volle gewichtige Spannweite betont werden, weil Schlagzeug und Gesang immer dominant im Zentrum des Mixes akzentuiert werden. Im erhaben vom Sprint zur Heaviness stürmenden Brave flimmern die Saiten zwar gut ausgeleuchtet nervös als Epik aufgefächert, doch wirkt das Gebrüll von Stefanie Mannaerts dagegen zu dünn und heiser, obgleich ihr Gesang zwischen Emma Ruth Rundle, Björk und Alanis Morissette wie immer leidenschaftlich gelingt.
Dass Unison Life sich kompositionell abseits seiner gesteigerten Breitenwirksamkeit überraschungsarm gestaltet (was etwaige Wendungen, Arrangements oder Instrumentierungen angeht) und insofern auch ohne anhaltenden Reiz schnell erschlossen ist, wird dadurch aufgewogen, dass die kurzweiligen 43 Minuten schön sequenziert wirklich toll durch die dynamischen, spannend gehaltenen Amplituden fließen. Dass insofern offenbar einfach Bedarf bestand, das bisher beste Brutus-Album auch mit ein bisschen glitzerndem Stenenstaub zu verzieren, macht die Sache vielleicht nicht besser, erscheint jedoch zumindest ansatzweise nachvollziehbar.
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