British Theatre – Mastery
Obwohl British Theatre 2011 relativ unmittelbar nach dem Ende von Oceansize an das Licht der Öffentlichkeit traten, dauerte es nun doch überraschend lange, bis Richard A. Ingram und Mike Vennart ihr gemeinsames Debütalbum fertig gebastelt hatten. Gründe dafür gibt es einige – sie aber auch mit den so akribisch konstruierten Songs auf Mastery zu tun.
Faktoren für diesen verzögerten Neuanfang nach den beiden bereits 2012 veröffentlichten Kurzformaten EP und Dyed in the Wool Ghost sind etwa, dass die beiden Köpfe hinter British Theatre mittlerweile beide seit Jahren zum Tour-Tross von Biffy Clyro gehören, Vennart mit der 2015er-Glanztat und progressiven Ohrwurmschleuder Demon Joke zudem sein eigenes offizielles Debütalbum vorzog.
Dass vor allem Chefdenker Gambler Ingram das feine Elektro-Süppchen seines Babys British Theatre in der Zwischenzeit aber sehr wohl auch beständig weiterköcheln ließ, unablässig an Feinheiten des Projektes schraubte und die Metamorphose der technoiden Oceansice-Fortsetzung damit mehr oder minder im Geheimen vorantrieb, lässt sich am idealsten anhand von Gold Bruise nachvollziehen: Der einzige der elf aufgefahrenen Songs von Mastery, der bereits von den EPs bekannt war ist immer noch eine unwirklich und ätherisch strahlende Tat der Anmut, die in wohligen Wellen kribbelt – doch entfaltet sich die Nummer nun deutlich dicker und sauberer produziert, hat sich zahlreiche neue Ebenen und Deatils einverleibt. Vennarts Gesang scheint immer noch hinter einem Schleier zu passieren, der wummernde Bass, die nun weniger sakral klingende Orgel, das hoffnungsvolle Klavier und die schimmernden Synthieschichten tauchen in Zeitlupe jedoch in gleissenderes Licht, bis sich die Nummer zu einem milden Gänsehautpanorama auswächst.
Dass sich im Mix von Gold Bruises auch ein wenig Gitarrengeplänkel versteckt hat, hingegen nicht symptomatisch. Über weite Strecken der Platte nicht existent, schrammt das Saiteninstrument etwa im etwas plakativen Favour the Brave markant. Doch fällt der Song ohnedies aus dem Rahmen, wenn Vennart und Ingram eine rockige Schmissigkeit forcieren, indem aus dem elegischen Abwarten eine geduldig hämmernde Hymne mit großer Geste und Chören anschwillt. Ansonsten geraten die Konstruktionen auf Mastery jedoch nahezu ausschließlich nach rein digitalen Bausteinen – vom großartigen Blue Horror weg entwickeln British Theatre ihre Kompositionen aus subtiler, dicht gestaffelt wummernder Elektronik, verschrobenen Synthielagen, Timesignaturen, Loops und sorgsam inszenierten Effekten, zueinanderfindenden Rhythmusspuren und klackernden Beats, speisen ihre progressives – aber nicht unpoppiges – Songwriting aus Schaltkreisen, der Rechner fiept und brutzelt gefinkelt, schwebt ein bisschen wie in Trance und hypnotisch simultan zu Vennarts Melodien und den dynamischen Texturen.
Die enorme Bandbreite, die Mastery in seinem eigenständigen, aber assoziativen Soundbild in weiter Folge abruft, geht im besten Fall Hand in Hand mit einer beeindruckenden Qualität: The Cull zieht sich behutsam zurück in eine marschierende Schale, funkelt mysteriös wie im Halbschlaf, bis der Song fast schon wütend pulsierend aufbricht. Dinosaur arbeitet danach mit wuchtig schlagenden Drum-Pattern und kristallinen Keyboard-Nebeln. Immer wieder schwenkt das dampframmende Schwergewicht zur pompösen Pose, brütet darunter aber verstörende Klangschleifen aus und hat etwas von einem postapokalyptischen Schlachtfest aus hymnischem Noise-Rock auf experimenteller Dance-Basis. Der Titelsong begnügt sich dagegen damit ein kaum zu greifender, elegischer Soundtrack aus entrückten Streichern, dezenter Percussion, Synthies und einnehmenden Gesangsspuren zu sein – eine ziellose Traumreise, die den in Aussicht gestellten Climax schlichtweg verweigert.
Am überragensten gelingt der Band dennoch Capra, das wie eine durch Schaltkreise codierte Klavierballade mit genügsamen Beats anmutet, wunderschön und erhaben den Melodien richtig Luft zum Atmen und Entfalten bietet, und spätestens dann zu einem waschechten Highlight im weiteren Oceansize-Universum mutiert, wenn die majestätischen Streicherarrangements den Song in andere Sphären heben.
Nicht immer gelingt es Mastery jedoch derart auf den Punkt zu kommen: Gerade mit der schraubenden Weltraum-Collage The Coldest of Shoulders sowie dem düster brütenden Thunderlips finden sich zwei Instrumentals ein, die sich in die einnehmende Atmosphäre der Platte suhlen, für sich genommen aber wenig Mehrwert offenbaren – die Schwachstellen der Platte. Das faszinierende Newman bleibt dagegen ein fragmentarisch stacksendes Puzzle, eine wissenschaftliche Tüftelei in gedrückt dröhnenden Welten, das sich zum unterkühlten Psychedelic-EDM-Versatzstück programmiert. Das bereits bekannte Cross the Swords hantiert ebenfalls mit rauschhaft tanzbaren Mustern, gibt sich betont zugänglich, schafft es aber emotional nicht wirklich zu packen.
Nicht, dass British Theatre hier die hohen Erwartungshaltungen gar nicht stemmen können würden – doch wo sich der Charakter der Band über die vergangenen Jahre ausgebildet hat, hinkt das Songwriting auf Albumlänge doch noch ein wenig zu unausgegoren hinterher. Das Gefälle zwischen guten Standards und wirklich erstklassigen Nummern, die (gerade in den ruhigeren Momenten) alle Stärken von Vennart und Gambler in dieser ungewohnten Umgebung destillieren, ist einfach noch zu stark zu bemerken. Inkonsistenz im Albumfluss darf da aber guten Gewissens als Kinderkrankheit eingestuft werden – British Theatre stehen angesichts ihres vielschichtigen Potentials schließlich immer noch am Anfang.
Mastery auf Bandcamp | Mastery in Vennart’s Onlineshop |
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