Bríi – Corpos Transparentes
Caio Lemos hat Bríi spätestens 2020 mit Sem propósito aus dem Schatten von Kaatayra geholt. Das unorthodoxe Trauerwerk Corpos transparentes unterstreicht den Referenzwert nun noch einmal.
Man kann es im Zusammenhang mit Projekten des Brasilianers gar nicht oft genug erwähnen, doch weil es auch für das dritte Bríi-Album im ebenso vielten Jahr absolut gilt: Niemand sonst da draußen klingt am Allgemeinen wie die Spielwiesen von Lemos, egal ob produtionstechnisch, ästhetisch oder kompositionell; und ob irgendjemand sonst seinen Melodic Black Metal so avantgardistisch zur elektronischen Dance-Schlagseite tendierenden lässt wie Bríi, sei zudem im Speziellen dahingestellt – alleine hierin liegt auch die charakteristische Identität, die für eine klare Trennung zu anderen hauseigenen Plattformen wie Kaatayra oder Vauruvã. Auf einem einzigen, über knapp 37 Minuten wachsenden Track erweist sich der Mann aus Brasilia jedenfalls wieder als diesbezüglich versierter Alchemist, der weiß, wie man Blastbeats ohne Corpsepaint absolut organisch an den Club heranführt.
Dabei beginnt Corpos transparentes wie die fromm nachrezitierte Predigt, bevor tackernde Drums Akustik-Gitarren und ein loungiges Piano jagen, Lemos unter seinem Alias Serafim neben einigen Erfüllungsgehilfen am Lead-Mikro (Pedrito Hildebrando, Nathalia Costa, Bruno Augusto) eine garstig keifende Dunkelheit in eine absolut luftige Atmosphäre übersetzt – erst recht, wenn ambiente Synthies in das verträumte, heroisch und orchestral werdende Gefüge gleiten, das in ruhiger Einkehr nahe am Postrock oszilliert – da mag der Rhythmus noch so konstant ballern.
Die Arrangements verschieben die Perspektive auf konventionelle Black Metal-Schemen aber ohnedies ständig, agieren phasenweise auf avantgardistisch-proggige Weise poppig und liebäugeln mit jazzigen Melodien. Die analog modulierte 80er Retrofuturistik a la Jean-Michel Jarre beginnt mit dem Drum and Bass zu tanzen, assoziiert plötzlich The Prodigy anstelle tropischer Wälder.
Sobald das Geschehen von Corpos transparentes tatsächlich wieder zum Black Metal zurückmutiert, würfelt Lemos die Ideen allerdings etwas zu zerfahren in ein Hybridgewächs, in dem es dramatisch klimpert und eine beschwörende Theatralik an Chören und Badalamenti-Keys entlangprescht, als wäre Postrock mystisch im Alternative aufgelöst.
Wenn sich der Südamerikaner jedoch für eine blastende Anmut und getriebene Schönheit entscheidet, findet Corpos transparentes sofort wieder zurück in die Spur, begeistert alleine dadurch, wie grandios und individuell geprägt der Sound sowie die Produktion wieder geraten sind – ungeschliffen und klar, das Schlagzeug organisch so viel freier Raum erschließt, warm und natürlich.
Als stiller Score lässt sich die erzeugte Atmosphäre vom Wind nach und nach imaginativ zu Mount Eerie tragen, behutsam und fragil – nur um umso homogener den Breakbeat-Dancefloor mit dem ätherischen Ambiente zu assimilieren, kompositorisch Richtung halluzinogenem Jam am Piano zu träumen.
Dieses Finale gehört dann auch zum besten, was er je gemacht hat und hebt Corpos transparentes im märchenhaften Lokalkolorit trotz eines schwächeren Mittelteils beinahe auf eine Ebene mit dem für Bríi als Referenzwert bestehen bleibenden Sem propósito.
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