Brigitte Calls Me Baby – The Future Is Our Way Out
The Future Is Our Way Out ist ein vermeintlich (zweck)optimistisches Mantra, wie junge Rockbands es sich selten auf die Fahen schreiben. Um derart zuversichtlich nach vorne blicken zu können, kopieren die nostalgischen Romantiker Brigitte Calls Me Baby ihren Sound aber auch schamlos aus der Vergangenheit.
Schon von den diesem Debütalbum vorauseilenden Songs weiß man, dass Bandkopf Wes Leavins absolut keinen Hehl aus seiner bedingungslosen Liebe für The Smiths macht, und seine Band – Jeremy Benshish (drums), Trevor Lynch (guitar), Jack Fluegel (guitar), Zach Lentino (bass), Devin Wessels (keyboards) – ihr Jangle Pop/ Indie Rock-Amalgam deswegen derart nahe am Formelheft von Morrissey spielen lässt, dass Songs wie vor allem der eröffnende Titeltrack, später aber auch beispielsweise das mit markanter Lead tänzelnde Fine Dining oder das sanft nach vorne gesäuselte I Wanna Die in the Suburbs wie schmissige Ableitungen von Smiths-Klassikers auftreten. Von der Melodieführung, Intonation und Phrasierung her, bis hin zur offensichtlich referentiellen Wortwahl und Texten, die selbst Erzfeind Robert Smith manchmal ein morbides Lächeln abringen könnten: mehr direkt adaptierendes Worshipping geht im bedeutungsschwer schmelzenden Croonen praktisch nicht – die Grenzen zum Plagiat sind bei Leavins und Brigitte Calls Me Baby oft dünner, als bei den meisten anderen Epigonen.
Der eigentliche Clou an The Future is Our Way Out ist insofern, dass das von Dave Cobb sauber auf den Punkt produzierte Album in seiner relativen Deckungsgleichheit ohne wirkliche Orientierungsprobleme mit den imitierenden Gesten eine durchaus reizvolleWirkung zeigt: Oft will man beim Mitsummen der Nummern zwar instinktiv zu den vermeintlichen Originalen abbiegen – der Drang, die Platte deswegen jedoch auszuschalten und zu jenen Werken zu wechseln, auf die sich das Debüt der Band aus Chicago gerade bezieht, hält sich allerdings mit jedem Mal mehr in Grenzen.
Denn Brigitte Calls Me Baby spielen derart dreist geprägt und ohne das Verlangen nach einer individuellen Identität Songs voller Sehnsucht und Hingabe, Nostalgie und Melancholie. Sie stecken Melodramatik, Pathos und Theatralik in ein kurzweiliges, zackiges Gewand und liefern in einem ausfallfreien Ganzen praktisch eine zwingende Stafette an Ohrwürmern und Hits, von der wirklich jede einzelne Nummer als Single herhalten könnte.
Und weil The Future is Our Way Out seinen Sound assoziativ durch kleine Gewichtsverlagerungen verschiebt, mal an Alex Turner, dann an Orville Peck oder Merchandise denken lässt, vor allem in romantisch schwofenden Twist von Eddie in Love auch mehr als alles andere an Roy Orbison, flacht die Dynamik nie ab. Das verträumte Too Easy lehnt sich vage an den Dancepop von If You Could Read My Mind und das flotte Pink Palace wäre auch den Vaccines gut gestanden. Palm of Your Hand verbindet Pulp mit The Cure, vom Post Punk zum Britrock ist es generell nie weit. Das ausgelassene antreibende Impressively Average mag Chris Isaak, während der Smasher We Were Never Alive mit modernem Klang und stärkerer Synth-Synth-Präsenz samt funky Licks die Wombats überholt.
You Are Only Made Of Dreams übersetzt danach praktisch Last Nite der Strokes als klatschende Party in die anachronistische Ästhetik der Platte und Always Be Fine ist das zurückgenommene Schwärmen eines Mannes, der Blue Moon kennt – inklusive Twist, wenn aus dem hoffnungsvollen „That’s okay/ Take it one day at a time/ Life can always be fine“ im Outro doch noch ein „Life can’t always be fine“ wird, und alle Zuversicht, die man teilweise in die vorangegangen 37 Minuten trotz aller herzschwerer Romantik hineinlesen wollte, wie ein zynischer Scherz anmuten – und The Smiths hinter den Grenzen des Albums plötzlich näher scheinen denn je.
Kommentieren