Bright Eyes – Down in the Weeds, Where the World Once Was
Auch wenn man die Begeisterung, die der Feuilleton Conor Oberst im Zuge einer von Phoebe Bridgers und Co. losgetretenen Folkrock-Renaissance nun offenbar wieder flächendeckend zukommen lässt, nicht teilen muß, stimmt es schon: Der Ausflug mit Better Oblivion Community Center hat dem einstigen Wunderkind Aufwind gegeben – Down in the Weeds, Where the World Once Was ist das beste Bright Eyes-Album seit eineinhalb Dekaden.
Gut, seit 2011 war es veröffentlichungstechnisch ohnedies ruhig um das mit Mike Mogis und Nate Walcott längst vom Soloprojekt zur Band gewachsene (ab nun übrigens: Ex-) Saddle Creek-Flaggschiff geworden. Doch bedingt das inhaltlich am Abgrund der Welt schippernde zehnte Studioalbum der Bright Eyes tatsächlich ein liebenswürdiges Wohlwollen, das Down in the Weeds, Where the World Once Was an The People’s Key und Cassadaga sowie einer qualitativ schwankenden Solo-Diskografie von Oberst vorbeiziehen lässt. Und das selbst dann, wenn die zumindest gefühlt aktuell allgegenwärtigen Schwämme an ähnlich gearteten, auch personell nahverwandten Platten wie Punisher oder Beginners mittlerweile ein abgestumpft habendes Gefühl der Langeweile erzeugt.
Vor diesem subjektiven Hintergrund wäre auch Down in the Weeds, Where the World Once Was sicherlich spannender geworden, wenn die 55 Minuten der Platte um einige Songs gestrafft worden wären; wenn es in einer risikofreien Komfortzone des Folk ein bisschen mehr Reibungspunkte gegeben hätte; wenn der Sound generell ungeschliffener und rauer inszeniert aufträte; wenn das gediegene Wesen einer erschütternden Verzweiflung gewichen wäre. Aber Oberst ist mittlerweile eben ein reifer 40 Jähriger, lässt sich von seiner Band den Bauch pinseln, tendiert zum von seinen beiden Kollegen feingeistig ausstaffierten Easy Listening, das musikalisch nie dorthin geht, wo es wehtut oder im Umkehrschluss wirklich glücklich macht. Das Trio bleibt trotz lyrischen Klinge und privater Rückschläge emotional ungefährlich, begleitet eher mit schöngeistiger Egalität, anstatt aufwühlend zu ergreifen.
Und dennoch – nicht gemessen an den eigenen Meisterwerken, sondern dem Status Quo der Szene – gelingen Bright Eyes damit so nette, aber auch bisweilen bezaubernde Songs wie lange nicht.
Pageturners Rag unterstreicht das Faible von Oberst für lange auf die Folter spannende Intros, gibt im Trubel einer aus der Zeit gefallenen Ausgelassenheit das Credo der Platte aus, während seine Ex-Frau Corina Figueroa Escamilla und Mutter Nancy in der titelgebenden eigenen Lounge/Bar zum Geklimper von Dan McCarthy Pilze einschmeißen: „What they need right now is to feel like there’s something to look forward to. We have to hold on.“
Dance and Sing ist eingängig schunkelnder Indie Folk, der sich exemplarisch ein bisschen zu harmlos von seinen Streicher-Arrangements tragen lässt. Der muntere Ohrwurm Just Once in the World schunkelt mit Harmoniesucht und My Morning Jacket-Vibe, Mariana Trench gönnt sich eine Synthie-Patina, in der trotz rasselnder und gackernder Drums sowie dem hibbeligen Funk-Bass eine ätherische Gangart herrscht. Anachronistisch flaniert One and Done entlang einer romantischen Melodie durch die Moderne und Vergangenheit gleichermaßen, verschwimmt auf sentimentale Weise und wächst opulenter und dramatischer an.
Pan and Broom liebäugelt mit dem Synth Pop, bleibt aber trotz aller entwaffnender Zuträglichkeit unverbindlich. Stairwell Song hat einen majestätisch-erhebenden,
Down in the Weeds, Where the World Once Was ist so ein schillerndes Kleinod in dunkler Umgebung geworden, schwelgt auch mit namhaften Gästen (Jon Theodore und Flea begegnen sich hier etwa erstmals seit der Frühphase von The Mars Volta wieder) in aufwändig arrangierten Melodien und reichhaltigem Instrumentarium: Dudelsäcke, Streicher, Steel Gitarren, alles vorhanden und noch mehr. Es gibt viel zu entdecken und nahezu alles zu mögen, jedoch wenig zum verlieben.
Dass dem Reigen gleichermaßen die Leichtigkeit wie die Intensität fehlt, ist dann aber eben nur relativ enttäuschend: Wo Bright Eyes rund um die Jahrtausendwende im faszinierenden Tiefgang mit Haut und Haar fressen konnten, erschöpfend herausforderten und dafür auch mit magischer Genialität zu entlohnen wussten, begleitet Down in the Weeds, Where the World Once Was eben auf brave Art und Weise plätschernd mit viel Klasse, ohne Aufregung, ohne Herzflimmern. Ein gesetztes Können, das überzeugt, aber eben nicht begeistert.
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