Brian Reitzell – American Gods (Original Television Series Soundtrack)

von am 29. Juni 2017 in Soundtrack

Brian Reitzell – American Gods (Original Television Series Soundtrack)

Ex-Redd Kross-Drummer Brian Reitzell hat sich längst als Soundtrack-Komponist einen Namen gemacht: Nach Sofia Coppola scheint nun auch Ausnahmeerscheinung Bryan Fuller ein Abo auf die eigenwilligen Arbeiten des 51 Jährigen gezogen.

Nach den verstörenden Klanginstallationen, die Reitzell der grandiosen Fuller-Produktion (und spekulativ immer wieder Lebenszeichen aussendenden NBC-Serie) [amazon_link id=“B00MKTZVX0″ target=“_blank“ ]Hannibal[/amazon_link] verliehen hat, hat der eigenwillig-visionäre Showrunner den ehemaligen Air-Kumpel und LA-Punkrocker auch zu seinem neuen Projekt mitgenommen: Der Umsetzung des Neil Gaiman-Romans [amazon_link id=“3847905872″ target=“_blank“ ]American Gods[/amazon_link].
Stilistischen denkt Reitzell dafür die musikalischen Ansätze von Hannibal quasi auf breiterer Basis weiter, das im Unterbewusstsein brodelnde Spannungsfeld aus Ambient und Drone ist hier nur noch Ausgangslage – Reitzell fächert seine ungemütlichen Klänge zur atemberaubenden Optik und Atmosphäre der Serie auf, lässt seinen Score mit ätherischer Variabilität erblühen.

Vom fiebrigen Industrial des eröffnenden American Gods (Main Title) ist es nicht weit, bis ein Out of Time oder Essie Acused mit Trompete und Glockenspiel durch Twin Peaks flanieren, Wednesday Heals Shadow nervösen Jazz beschwört und das verträumt-melancholische Laura’s Affair sich im Zeitlupentempo Konsorten wie Bohren & der Club of Gore annähert.
Es existiert orgasmische Lavalampen-Musik mit esoterisch-verschwitzter Atmosphäre in Bilquis Orgy, zu der sich Percussion und Blasinstrumente in die Ekstase steigern, wie selbstverständlich neben unwirklich-delirianter Psychedelik in Bilquis Gets to Work oder rhymusfixiert nach vor gehendem Rock mit elektronisch bratender Synthiebass-Kante in Gumball.
Das abwartend, verspielt-launige Salim Waits führt dagegen vor allem die globale Leichtigkeit vor, mit der Reitzell durch sein Schaffen dirigiert, bevor Salim and Jinn als sphärische Improvisationsfläche mit weitem Raumklang in Aussicht stellt, wie Swans in ihrer nächsten Inkarnation vielleicht klingen könnten, wenn sie sich in einem verschwitzen Kellerloch im Orient neu gründen und den Rock außen vor lassen würden.
Am ikonischensten gerät dennoch die Bowie(/Falco)-Verneigung Media Bowiegerade mit Gillian Andersons jetzt schon legendärem dazugehörigen Ziggy Stardust-Auftritt.

Was zu einem der wenigen zu bemängelnden Punkte führt: Die Starz-Serie ist mehr als alles andere ein kompromissloses audiovisuelles Gesamtkunstwerk, dessen (aus dramaturgischer Sicht in Season 1 mitunter noch etwas zu zerfahren und wenig stringent aufgezeigte) Magie sich ohne die dazugehörigen Bilder nicht restlos einstellen will. Bei einer Quantität von 79 Minuten Spieldauer kommen die 20 Kompositionen zudem nicht gänzlich ohne Längen aus (Vorzeigebeispiel: They’re Here Finale).
Doch entfaltet Reitzells Arbeit abseits dieser minimalen Mankos nichtsdestotrotz auch für sich selbst stehend eine absolut einnehmende Dichte, schickt mit atmosphärischer Tiefe das Kopfkino auf Reisen. Das gelingt auch deswegen besonders stimmig, da sich die vielseitigen Facetten der Kompositionen dank der nicht chronologischen Anordnung der Tracks enorm stimmungsvoll aneinanderfügen: Nummern wie Vulcan fühlen sich viel mehr sogar beinahe an, als würden sie primär dafür existieren, verbindende Interludes innerhalb des Soundtrack-Spannungsbogens darzustellen, Übergänge zwischen den Tracks zu homogenisieren und so den hypnotisch-faszinierenden Fluss durch eine originäre und charakterstarke Soundwelt abzurunden.

Selbst die Beiträge namhafter Kooperationspartner verleibt sich Reitzells Klangkosmos so rigoros und nahtlos ein: Tehran 1979 pumpt als flimmernde Discokugel mit Debbie Harry und Shirley Manson hinter beharrlichen, funky Beat und schillernde Effekten zu einem pulsierenden Hotline Miami-Drive auf den Dancefloor; für den perkussiven Synthrocker Queen of the Bored kehrt die Garbage-Frontfrau catchy und anziehend zurück – stets kohärent zwischen die rein instrumentalen Stücke gestellt.
Am kongenialsten funktioniert allerdings Reitzells Kooperation mit Wüstencrooner Mark Lanegan, die drei Interpretationen von Genre-Klassikern abwirft: St. James Infirmary Blues ist ein rauchig schlupfender Blues, über das stoisch pochende I Put a Spell on You legt sich ein nonchalantes Tex Mex-Flair, bevor das spartanisch flehende In the Pines einen Soundtrack verabschiedet, der wie ätherisches Halluzinogen über einer ebenso intensiven und doch kaum greifbaren Schönheit liegt.

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