Brandon Flowers – The Desired Effect
Brandon Flowers gelingt auf seinem zweite Soloalbum, woran er auf den letzten beiden Killers-Platten und vor allem auch dem immens halbgar dümpelnden ‚Flamingo‚ noch gescheitert war: Ohne jedwede Scham knietief in allen Geschmacklosigkeiten der 1980er zu baden, ohne dabei abzusaufen.
Einen nicht geringen Anteil daran ist sicherlich Stardom-Produzent Ariel Rechtshaid zuzuschreiben, der Flowers von den Fesseln der schlichtweg nicht mehr funktioniereden Indie-Zugeständnisse der letzten Jahre befreit hat und ihm nun mit einer Selbstverständlichkeit die megalomanische Plattform bietet, nach der es den Las Veags-Mormonen so sehr verlangt: ‚The Desired Effect‚ verabschiedet sich vollends von jeglichen Rockanleihen und suhlt sich ohne Zurückhaltung in überkandidelten Popszenarien, in Erinnerungen an alte Ohrwürmer und in den Discographien der Pet Shop Boys, von Robert Palmer und Duran Duran, ist vollgepackt mit einer aus allen Rudern laufenden Gästeliste: Danielle Haim (Haim), Angel Deradoorian (Ex-Dirty Projectors), Tony Levin (Peter Gabriel), Joey Waronker (Beck, Atoms for Peace), Kenny Aronoff (John Mellencamp) oder Ethan Farmer geben sich die Klinke in die Hand, sind da nur die Spitze des Eisbergs, letztendlich aber im Kontext auch mehr als nur bloßes Namedropping, sondern effiziente Erfüllungsgehilfen.
Flowers kann so vom ersten Moment in die Vollen gehen – und tut es ungeniert und voller Elan, vom anachronistischen New Wave bis hin zum vitalen Schlagergarten: Casino-Bläsern und soulige Backgroundsängerinnen tummeln sich schon durch ‚Dreams Come True‚, das percussiongestützte ‚Can’t Deny My Love‚ hat seine Lektionen bei TOTO und Peter Gabriel gelernt, ist feinst dramatisierter Radiopop. Für ‚I Can Change‚ sampelt Flowers Bronski Beats ‚Smalltown Boy‚ auf enorm geschmeidige Art für die Disco, bis sogar Neil Tennant für ein paar Zeilen vorbeischaut.
Den karibischen 60s-Pop im liebenswürdig-leichtfüßigen ‚Still Want You‚ muss man dann ebenso wenig kommen sehen, wie den Bruce Springsteen-via-War on Drugs-Groove von ‚Between Me And You‘ (um den Bruce Hornsby und Tony Levin balladesken Pathos ohne Ende anrühren dürfen), etwaige Pan-Flöten oder heulenden Hair-Metalgitarren, Billig-Keyboardakkorde und Autotune-Sprengsel (‚Lonely Town‚), schillernden Heartland-Country-Honky Tonk (‚Diggin‘ up the Heart‚) oder das ätherische Beatles/Bob Dylan-Mashup ‚The Way It’s Always Been‚, das mit seiner Hammond-Orgel, dem Orchester aus der Steckdose, pragmatisch programmiertem Minimal-Drumcomputer und angedachten Feuerzeugen vor dem Sternenhimmel versöhnlich aus dem .
Auf eine derartig hemmungslose Wundertüte muss man freilich Lust haben. Und polarisierend ist das wie schon die letzten Killers-Platten, natürlich. Aber auch wenn ‚The Desired Effect‚ im schwächeren letzten Drittel all den wirklich, wirklich platten Texten, den an der Grenze zum Kitsch feiernden Oberflächlichkeiten (alles glitzert, alles glänzt) und abgeglätteten Over-the-Top-Gesten doch Tribut zollen muss, sich in der Grauzone aus plattgetretenen Klischees und reiner Übersättigung etwas beliebig plätschernd verliert, ist das zweite Soloalbum von Flowers auf rein musikalischen Weg dennoch näher dran als jede andere Veröffentlichung des 33 Jährigen, die so bedingungslosen Liebe des Killers-Chefs zu den 1980ern tatsächlich erfolgreich zu artikulieren: Als rundum tolle Zeitmaschinen-Mainstream-Popplatte.
Wo die Rahmenbedingungen stimmiger denn je sind, schreibt Flowers schlichtweg die dazugehörigen – auf beste Art und Weise – veralteten Songs, die großen Melodien, die schlauen Adaptionen. „I’ll be what you’re looking for“ singt er, und „I can change for you“ – und kann selbst dann triumphieren, wenn er damit beide Male absolut falsch liegt. Denn Brandon Flowers kann nicht raus aus seiner Haut. Aber er kann seinen Output erstmals so aufbereiten, dass die aufgefahrenen 40 Minuten selbst dann auf überraschend charismatische Art und Weise ungemein unterhaltsam sind, wenn man an sich absolut keinen Bock auf diese Gangart hat.
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