Brand New – Leaked Demos 2006
Knapp 10 Jahre ist es her, dass Brand New vor dem Trümmerhaufen ihres angedachten dritten Studioalbums standen: Die damals geleakten und Großteils verworfenen Studiodemos gibt es nun endlich in sauberer Qualität – auf Kassette und digital.
2005 kehrten Jesse Lacey, Vinnie Accardi und Co. mit Produzent Mike Sapone ins Studio zurück, nachdem sie die Arbeiten am Nachfolger zum gefeierten ‚[amazon_link id=“B00009PJRD“ target=“_blank“ ]Deja Entendu[/amazon_link]‘ im Jahr zuvor unterbrechen mussten. Mit der entstandenen Distanz zum bis dahin entstandenen Material entschied sich die Band nun jedoch dazu dieses nahezu komplett zu verwerfen: Die neuen Songs klangen völlig anders, als die im Winter 2004 aufgenommenen Demos – und nach dem radikalen Schnitt arbeitete sich die Band in einen so kreativen wie produktiven Rausch; Lacey schrieb an einem Abend bis zu 5 Songs.
Am 24. Jänner 2006 folgte jedoch die Hiobsbotschaft: 9 noch unfertige, aber für das kommende Album angedachte Nummern wurden geleaked, zumindest für Lacey eine Katastrophe. Der Rest ist Geschichte: Während die veröffentlichten, unbetitelten Stücke unter dem ‚Fight Off Your Demons‚-Banner die Runde machten, entschieden sich Brand New dazu, sich trotzig auf die Hinterbeine zu stellen, verwarfen abermals den Großteil des nahezu fertigen Materials und trieben sich selbst aus jeder Komfortzone, um letztendlich beim modernen Meisterwerk ‚[amazon_link id=“B000LC4BWU“ target=“_blank“ ]The Devil and God are Raging Inside of Me[/amazon_link]‘ zu landen.
Wie die Geschichte ohne eine zweite Tabula Rasa aussehen hätte können, das führt die Band aus New York nun auf offiziellen Wegen als verfrühtes Weihnachtsgeschenk vor und veröffentlicht das damals in die Tonne gekloppte Material als Rückblick auf eine alternative Zeitlinie, oder songwritertechnisch zumindest den gefühlten Missing Link zwischen ‚Deja Entendu‚ und ‚The Devil and God are Raging Inside of Me‚. Um es kurz zu machen: Die ‚Leaked Demos 2006‚ sind nichts weniger als ein in Erfüllung gegangener Fantraum, endlich in guter Soundqualität aufgearbeitet und mit vollständiger Tracklist versehen, sogar in einen stimmigen Kontext gebettet.
‚Good Man‚ eröffnet da als intimer Lovesong am Lagerfeuer, ‚1996‚ ist als etwas zahnloser, aber charmanter Poppunker mit funky rausgehauenen Gitarren im Abgang der Grundriss eines Hits. ‚Missing You‚ verabschiedet sich von Lacey’s verstorbenem Großvater, indem sich aus einem Elektropop-Gerüst ein sympathischer ausholender Alternative Rock schält, der in der Strophe Drone-Elementen Einlass gewährt, und im Refrain alle Schleusen öffnet: Catchy as hell, aber eben auch mit einer Unverfänglichkeit ausgestattet, die Brand New nach ‚Deja Entendu‚ nicht mehr haben sollten. ‚Nobody Moves‚ ist ein atmosphäreisch treibender Song, der schon vorgibt, in welche Richtung die Band gehen würde, düsterer und undurchsichtiger. Der giftig aufplatzende Chorus ist symptomatisch und die fette Gitarrenbreitseite einfach großartig.
In ‚Battalions‚ grummelt der Bass The Cure-postpunkig, das Schlagzeug will zu Joy Division, den Refrain schreit Lacey alleine in die Finsternis, mit U2 im Hinterkopf – auf ‚The Devil and God are Raging Inside of Me‚ wird selbiger in ‚The Archers Bows Have Broken‚ als überragendes Gemeinschaftserlebnis auf einem Podest stehen und dort noch mitreißender zur Geltung kommen. Nicht die einzigen Paralellen zum Studioalbum von 2006: das reduzierte ‚Luca‚ ist hier noch von seiner treibenden Rhythmusarbeit befreit, die spät einsetzende Percussion funktioniert eher als Herzschlag, alles hinter Laceys Gitarrengezupfe arbeitet für das Ambiente. ‚Yeah (Sowing Season)‚ ist dann quasi die Lofi-Soloversion der Albumnummer, in der der Motor statt mitreißenden Wut noch Trauer ist.
Die Wucht von “The Devil and God are Raging Inside of Me“ deutet sich hier nämlich oft erst an. Der wunderbar melancholische und emotionale Akustiknummer ‚Brother’s Song‚ steht in der Tradition von Kevin Devine und bis heute auf den Toursetlisten der Band, hat aber bereits einen bewegten Werdegang hinter sich: Ursprünglich als ‚Untitled #3‚ geleaked, kennt man die Nummer als ‚aloC-acoC‚ von der ‚Sowing Season‚-Single oder als ‚Brothers‚ von der ‚Jesus‚-Single. Auch das luftig über sein Pianoloop polternde ‚Fork and Knife‚ hat die Band nachträglich bereits regulär veröffentlicht: 2007 als digitale Stand Alone-Single, mit leichten Änderungen in Bridge und Texten. Weil erben: das Material der ‚Leaked Demos 2006‚ war damals – und ist auch heute – viel zu gut, um es unter den Tisch zu kehren.
Aber so erfreulich die Veröffentlichung der Fanlieblinge hier insofern auch ist: Wäre fein, wenn Brand New endlich auch einmal in die Gänge kämen und neues material nachlegen würde – angesichts knackiger Interims-Singles und unveröffentlichter Schönheiten wäre nichts erfüllender, als endlich Studioalbum Nummer 5 serviert zu bekommen.
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