Boysetsfire – While A Nation Sleeps…
Wenn man sich mittlerweile einer Sache sicher sein kann, dann dass alte Helden ihre Auflösung selten konsequent durchziehen. Sechs Jahre nach dem Split und drei nach der Wiedervereinigung kommen nun auch Boysetsfire mit dem unvermeidbaren Comeback-Album aus dem Studio: einem beinahe absurd zielsicher die Trademarks der Band bearbeitenden Brocken Souveränität.
Die sieben verstrichenen Jahre seit ‚The Misery Index: Notes from the Plague Years‚, dem letzten Album der Melodic-Hardcore Vorreiter aus Newark machen sich nur marginal auf ‚While A Nation Sleeps…‚ bemerkbar: in den thrashigen Gitarren im zerschossen startenden Hassbatzen ‚Until Nothing Remains‚, den nu-metallischen Nackenbrechern ‚Everything Went Black‚ und ‚Far From Over‚, dem bestialisch nach vorne hechelnden ‚Wolves of Babylon‚ oder auch den aufgesetzt-aggressiven Backing-Shouts in ‚Heads Will Roll‚. Mitgebracht hat diese Nathan Gray von seinem (fraglich reflektierenden) satanistischen Familienmetalprojekt I Am Heresy, worauf sich dann auch die vereinzelten religionskritische Texte zurückführen lassen, die von Chaplins Rede als The Great Dictator zusammengehalten die gewohnte Dualität aus persönlichen Innenansichten und politisch aufzeigenden Parolen ergänzen. So erfrischend diese Mitbringsel aus der Nebenbaustelle den altbewährten Boysetsfire im Detail auch ergänzen, so sehr zeigt ‚While A Nation Sleeps…‚ im Gesamten doch anstandslos auf, warum die allerorts gebräuchliche „als wären sie nie weg gewesen„-Phrase hierauf bezogen so exzessiv Verwendung findet.
Das langerwartete Studiocomeback schließt nahtlos an die bisherige Discographie der Band an, alles da, was man an den Wegbereitern des massentauglichenHardcores lieben konnte/musste/durfte: die fett riffenden Gitarrenattacken, die kraftvollen Rhythmen und vor allem natürlich all diese weltumarmenden Melodien rund um in Hoffnung verwandelte Wut und Verzweiflung, die spätestens ab dem Refrain jeden einzelnen Song auf ‚While A Nation Sleeps…‚ zu emotional aufgeladenen Hymnen (Tatsache!) aufblasen.
In dieser gewohnten Gangart entstehen ausladende Gnadenlos-Ohrwürmer wie ‚Phone Call‚, in dem Nathan Gray mit einem Bein im Stadion steht und Massen sich die Kehlen wund brüllen dürfen. Noch verbrüdernder funktionieren die in der Tradition von ‚My Life in the Knife Trade‚ stehenden Feuerzeugschwenker ‚Reason to Believe‚, ‚Prey‚ und das ultimative ‚Never Baid‚: der Pathos trieft breitbeinig aus allen Poren – Hardcore kann eben bei Boysetsfire eben auch schmalzig funktionieren. Plattitüden wie ‚Save Yourself‚ sie auffährt müssen trotzdem verkraftet werden: „Shut your mouth look around/ This motherfucker is burning down/ And nothing’s gonna save us now/ Get out… and save yourself!„.
‚While A Nation Sleeps‚ ist ein paradoxes Album geworden. Es bedient praktisch alle etablierten Vorzüge der Band so energiegeladen und wuchtig, wie man sich das nach der langen Abstinenz eigentlich nur erträumen hätte können. Trotzdem krankt das fünfte Boysetsfire-Album noch deutlicher an der selben Schwäche, die schon ‚Exister‚ der verwandten Hot Water Music schwächeln lies: hier sitzt bis zur kleinsten Hookline hin beinahe alles zu perfekt, zu makellos konzipiert und wirkt an seiner Grenze zur Perfektion abgeschliffen geradezu steril. Alleine die erschrekend vorhersehbare Abfolge aus versöhnlichen und brachialen Songs ermüdet mit Fortdauer der Platte, auf die Radiotauglichkeit folgt zwangsläufig der Moshpit. Die aufgefahrene Theatralik überschreitet dabei nicht selten die Grenze des Erträglichen – in einem beeindruckenden und anstandslosen Reigen aus Hits und Hymnen. Da wird auch jenseits des Zenits eine Schmissigkeit aufgefahren, die derart ungeachtet des einen oder anderen Déjà-vus eben immer noch kaum jemand in diesem Metier derart zielsicher hinbekommt wie Boysetsfire. Trotzdem meint man ‚While A Nation Sleeps…‚ als erstem Album der Band anhören zu können, dass es unter dem konzentrierten Druck entstanden ist den Lebensunterhalt der ikonisch verehrten Kombo auf jeden Fall sicherzustellen.
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