Boygenius – The Record
The Record als Enttäuschung abzustempeln, nur, weil das Debütalbum von Boygenius nicht jene Höhen erreicht, die die selbstbetitelte EP der Zusammenkunft von Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus 2018 in Aussicht stellten, wäre dann doch übertrieben.
Schließlich gelingt es der veritablen Supergroup, auch wenn sich die erwartete Begeisterung angesichts der aufgefahrenen 42 Minuten nicht einstellen will, dennoch, ein Album zu erschaffen, das über der Summe seiner Teile stehend ausfallfrei zu einer wunderbaren Indierock/ Folk-Platte wächst, die vielleicht nicht das erhoffte genialistische Gipfeltreffen seiner Protagonistinnen geworden ist, aber, die individuellen Talente des Trios kombinierend, subjektiv doch das beste ist, was die drei ansonsten auf Solo-Pfaden wandelnden Musikerinnen bisher aufgenommen haben.
Obwohl die Credits für die zwölf Stücke schwesterlich geteilt werden, und eine klare Zuordnung der Urheberschaften insofern nur nach subjektivem Gutdünken erahnt werden kann, fühlt sich das die drei Stimmen vom träumenden Fleet Foxes’esken Acapella-Schwelgen Without You Without Them weg wunderbar harmonisch miteinander arrangierende, anmutig produzierte The Record daneben doch auch als Bestätigung der Theorie an, dass Dacus die wohl beste, sicher aber unterschätzteste Songwriterin des Trios ist, während die Fähigkeiten von Bridgers und Baker im Band-Kontext über die formelhafte Komfortzonen hinauswachsen.
Letztere sorgt mutmaßlich mit dem über bedächtig rockenden Drums geduldig nach vorne gehenden, leichten Keyboard-Schmuck tragenden $20 gleich zum Einstieg ein Highlight, das ab der Katharsis der schwelgenden Bridge ein bisschen zaubert und zudem smart genug ist, es sich mit den Strukturen nicht zu einfach zu machen. Das unaufgeregt beschwingte Not Strong Enough strebt später friedlich auf einen offenen Horizont zu und könnte ins Stadion wachsen, bleibt aber bescheiden, derweil der nett-rhythmische Ohrwurm Satanist mit seiner edgy Hook nicht mehr aus den Ohren will. Das unspektakulär verhaltene Anti-Curse tendiert zur Aufbruchstimmung, löst sich dann aber nahtlos fließend in der balsamierenden Nachdenklichkeit der nach Selbstbestimmung strebenden Introspektive von Letter to an Old Poet auf, die mit Zeilen wie „You made me feel like an equal/ But I’m better than you/ And you should know that by now/ When you fell down the stairs It looked like it hurt and I wasn’t sorry/ I shoulda left you right there/ With your hostages, my heart and my car keys You don’t know me“ die Handschrift von Bridgers trägt.
Was auch für die angenehm zurückgenommenen Intimitäten Revolution 0 und Leonard Cohen gilt, oder die zärtliche Versöhnung der auf sanften E-Drums kommenden Emily, I’m Sorry mit seiner subversiv Anziehungskraft: so nervig und überschätzt man Bridgers auch ansonsten wahrnehmen kann, zeigt sie hier doch eine so eindringliche wie dezente Auftrittsfläche für ihre Role-Model-Tragfähigkeit.
Die Highlights der Platte will man instinktiv jedoch Dacus zuschreiben: das bedächtig getragene, verhaltende hymnische True Blue; das melancholisch über die The Boxer-Interpolarisation im Minimalismus gezupfte Cool About It; und das sparsam aus den Saiten mit sorgsamen Streichern ausgeschmückte We’re in Love, das die allgemeine Plakativität der inhaltlichen Herzschmerz-mit-
Auch ohne notwendigerweise zur Zielgruppe von Boygenius zu gehören, ist das Gespür der drei Musikerinnen für schöne Melodien, authentische Atmosphären und betörende Hooks dabei Grund genug, zum manchmal zu harmlos plätschernden, hier und da zur kaum wagemutigen Gleichförmigkeit neigenden The Record primär für seine wohlwollende Gefälligkeit zurückzukehren und über strunzdumme Publicity Stunts oder ungeschickte Poser-Kleidungs-Entscheidungen praktisch ansatzlos hinwegzuhören.
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