Bosse-de-Nage – All Fours

von am 18. April 2015 in Album, Heavy Rotation

Bosse-de-Nage – All Fours

Bosse-De-Nage werden gemeinhin ja gerne in die Post-Black Metal-Schublade gesteckt. Spätestens mit ‚All Fours‚ haben sie sich trotz einiger durchaus noch beibehaltener Genre-Verhaltenmuster aus dieser allerdings wohl endgültig freigespielt.

Dazu auch von den ewigen Vergleichen mit den ehemaligen Split-EP Partnern und Bay Area-Verwandten von Deafheaven. Denn rasende Blastbeats hin, shoegazende Tremologitarrenwelten her: Bosse-De-Nage marschieren auf ‚All Fours‚ den Weg des schärferen Fokus und der erweiterten Perspektiven, den der Vorgänger ‚III‚ in die Black Metal-Büsche der Vergangenheit schlug, nun kompromisslos und kompakt entlang. Gleich der in Schüben kommende Opener ‚At Night‚ schlägt so unermüdliche Purzelbäume über dräuende Noisefelder, spitzt sich inmitten in sich kehrender Verschnaufpausen immer wieder über brodelnden Abgründen dramatisch zu, lebt vor allem von seiner (durch das schier irre-grandiose Drumming befeuerten) Dynamik und bespielt seine Melodien mit einer verzweifelten Aggression. Das mag sich nun eben der Grundpfeiler des (Post-)Black Metal bedienen, fühlt sich aber selten danach an: Deafheaven-Spezi Jack Shirley hat den Sound mit einer räudigen Crust- und Blackened-Sludge-Kante überzeügen, schickt das Ambiente immer wieder über die Grind-Klippe, was passt, weil Bosse-De-Nage ihre Kinderstube und Sozialisierung in erster Linie aus dem Hardcore zu ziehen scheinen.

Das erinnert in der klaustrophobischen Ausstrahlung, die das Katharsis-Blutbad ‚All Fours‚ entwickelt, an die fordernde Entrücktheit von Altar of Plagues und die misanthropische Finsternis von Wreck and Reference, vor allem durch den stärker denn je am Screamo gegeißelten Gesang von Bryan Manning aber auch an Kollegen wie The Saddest Landscape, die sich ihr Seelenpein mit geknechteter Emotionalität aus dem Herzen pressen und auch hier zu einem beklemmenden Dichte führen, leidend und sich selbst kasteiend.
Verstärkt wird dies durch die verstörenden, bisweilen bizarren Cut-Up-Texte Mannings, die sich als poetische Geschichten (aber hey: der Mann ist schließlich auch Romanautor!) ohne Sonnenschein in unmittelbarer Nähe von Pig Destroyer positionieren: mit abgründiger Sogwirkung entwickelt Manning eine groteske Faszination für das Demaskieren für Perversionen, rührt eine wüste Spirale aus Schmutz und Unwohlsein zu einem schwarzen Loch, das vor furchteinflößendere Bilder für das Kopfkino beschwört, als das so manches Horrorszenario schafft. Dass  The Flenser und Profound Lore sich die Veröffentlichungsplattformen hierfür teilen ist insofern absolut stimmig.

Auf ihrem Weg durch dieses nur im letzten Drittel einige wenige Längen zulassende Suspence-Tal passieren Bosse-De-Nage dabei viele der besten Songs ihrer Karriere, die sich zu ihrem schlüssigsten Album bündeln, einem unberechenbaren Monstrum. ‚The Industry Of Distance‚ driftet aus unheimlichen, melancholischen Ambientrückkoppelungen äußerst beharrlich in einen unbarmherzigen Husarenritt mit strahlend scheinenden Gitarren, während das Schlagzeug in einem traumhaften Variantenreichtum nach vorne bolzt, ohne Atempause knüppelt, dabei aber so verdammt vielschichtig agiert: alleine die permanenten Drumroll-Einsätze und Fills sind zum Niederknien, Harry Cantwells Performance prägt nicht nur den individuellen Sound von Bosse-De-Nage massiv, sondern hebt ‚All Fours‚ inmitten der enorm präzisen Darbietung der restlichen Band ohnedies auf ein ganz neues Level.
Dort begegnen sich dann creepy Intermezzi mit kaltem Industrialcharme (‚‚), man lässt Dissonanz und epische Schönheit im Würgegriff miteinander ringen (‚The Most Modern Staircase‚), zerrt den nach postrockiger Weite gierenden Blackgaze von ‚Sunbather‚ in einen dreckigen Keller, um ihm die Flügel zu stutzen (‚To Fall Down‚) oder übersetzt Darkthrone mit den Prügeln von Converge in eine kristalline Form, die sich klar auf die Wurzeln des Post-Hardcore bezieht (‚A Subtle Change‚).
Stichwort mittlere 80er und frühe 90er: seinen Climax erreicht ‚All Fours‚ mit dem überragenden ‚Washerwoman‚, das als unverschlüsselte Slint-Verneigung aus seiner mediativen Spoken Word-Haltung geschwülstartig berstend ausbricht und über depressiv-manische Hysterie zu einem entfesselten  Solo findet, das widerum in ein surreal-psychotisches Outro kippt und damit die Bandbreite des außergewöhnlichen ‚All Fours‚ in seiner rohen Intensität imposant vermisst. Spätestens hier ist das nur noch dann kategorisierbarer Black Metal, wenn Lost Highway ein geradliniger Thriller ist.

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