Bobby Womack – The Bravest Man In The Universe
Mittlerweile eine gängige Praxis: Altgediente Legende wird von zeitgenössischem Held produziert, um das entsprechende Spätwerk zur Schnittstelle in der Zeitachse zu machen. Das können auch Damon Albarn und Bobby Womack, wenn auch auf Albumlänge nicht restlos überzeugend.
Ob ein übersteigertes Maß an Heldenverehrung den so umtriebigen Britpopkönig Albarn im Falle von ‚The Bravest Man in the Universe‚ dazu gebracht hat, fünf auch einfach mal gerade sein zu lassen, in seiner Tätigkeit als Produzent nicht alle vorhandenen losen Enden miteinander verknüpfen zu müssen und so Womacks Stimme als vorherschende Konstante in einem dezent ratlos zurücklassenden Flickwerk als gekröntes Zentralorgan zu instituieren? Zuzutrauen wäre es Albarn, dessen aktuelle Werke sich ohnedies eher durch geleitete Intuition denn durch makellose durchstrukturiertes Songwriting auszeichnen. Sicher hingegen ist, dass man in Kenntnis der Geschichte hinter ‚The Bravest Man in the Universe‚ auch ungehört ansatzweise erahnen kann, wie das Comebackalbum des ‚Soul Survivors‘ letztendlich klingen sollte.
Dass Womack nach seinem Auftritt auf Tarantinos ‚Jackie Brown‚-Soundtrack nicht wieder längerfristig auf der Bildfläche erschien, mag jene, die um den wenig vorbildhaften Fall der 60er Soullegende seit dem Tod von Mentor Sam Cooke Bescheid wussten, nicht wirklich verwundert haben, zumal das letzte Studioalbum mit Originalmaterial von 1994 (‚Resurrection‚) auch kaum zu Begeisterungsstürmen führte, eine diagnostizierte Krebserkrankung zusätzliche Schwierigkeiten bereiten sollte. Allroundzampano Damon Albarn aber hatte angeblich längst einen Narren am alten Helden gefressen und grub den Barden hinter so manchem Klassiker (‚Lookin‘ For a Love‚, ‚That’s The Way I Feel About Cha‚ oder ‚If You Think You’re Lonely Now‚) kurz nach dessen Aufnahme in die Hall of Fame 2010 für das dritte Album seiner Cartooncombo Gorillaz stilistischer aus. Darauf setzte er ihm mit ‚Stylo‚ ein kleines Denkmal und hatte zudem Blut geleckt, wollte mehr und ließ nicht locker, bekniete Womack um ein gemeinsam inszeniertes Album und stellte dafür zahlreiche Songs parat, die eigentlich für ein zukünftiges Projekt unter dem Gorillaz-Banner gedacht gewesen wären. Plötzlich war dann auch noch eben jener Richard Russell als Co-Produzent an Bord, der als XL-Recordings Chef schon für Gil Scott Herons Sensationsabschiedswerk ‚I’m New Here‚ die Fäden gezogen hatte – und innerhalb dreier Monate war der musikalische Revitalisierungskurs im Kasten.
Ironischerweise ist dann ausgerechnet Gil Scott Heron der heimliche Held von ‚The Bravest Man in the Universe‚ – wenn dieser als Überraschungsgastsample in ‚Stupid Introlude‚ innerhalb weniger Sekunden derart stilbewusst sarkastische Giftattacken vom Stapel lässt, dass einem warm ums Herz wird: „“He came on television and told everyone he had seen god / And god told him to raise eight million dollars / God was broke.“ Danach folgt die Abrechnung mit Fernsehpredigern und ein Paradebeispiel für die Qualitäten von ‚The Bravest Man in the Universe‚: Da wird Soulgeschichte mit modernen Mitteln aufbereitet, das Piano tröpfelt unmittelbar hinter Womacks Zauberstimme im Zentrum, darum herum haben Russel und Albarn elegant groovende Beats und schonungslos wummernde Bässe zusammengeschnipselt, der Rhythmus schiebt das Tasteninstrument gutgelaunt nach vorne, man erkennt trotz Womacks warmer Prägung, wer diese Songs wofür geschrieben hat. Das ist schon vom wild wuchernden Titelsong weg so und findet seine Fortführung nicht nur im freundlichen Ohrenschmeichler ‚Please Forgive My Heart‚, sondern auch, wenn sich das Korsett enger zu ziehen beginnt und Hektik die Eindringlichkeit steigert (‚If There Wasn’t Something There‚) oder der Blickwinkel zu Gunsten von einer verruchten Lana Del Ray im alleinigen Spotlight Richtung Lounge abwandert. Dass einer ohnedies sehnigen Platte die Zurückhaltung am besten steht, zeigen hingegen das bedrohliche ‚Whatever Happened To The Times‚, ein nervös pulsierender Beathinterhalt über dessen sphärische Orgelschwäden Womack eine großartige Melodie ausführt, oder vor allem ‚Deep River‚, wo außer dieser Stimme und einer knarzigen Akustikgitarre plötzlich nichts mehr existiert: ein ergreifender, aus der Zeit gefallener Blues-Bruch.
So hangelt sich ‚The Bravest Man in the Universe‘ acht Songs lang durch anachronistische Wohltaten, lässt überlebensgroße Momente und die unbedingte Albumhomogenität zugunsten stimmig aneinandergereihter Einzelsongs aus, bevor das abschließende Songtrio der Platte das Genick bricht: da ist der hochgepitchte Schlumpfgesang im ansonsten gefühlvollen ‚Nothin‘ Can Save Ya‚ noch das kleinste Übel, wenn der fröhlich nervtötende Elektrohüpfer ‚Love Is Gonna Lift You Up‚ vollends aus dem Rahmen fällt und dessen manische Backgroundchöre das stimmungsvolle Niveau plötzlich ins Bodenlose reißen. Der stupide und ziemlich billig pumpende 8 Bit-Traditional-Partyschunkler ‚Jubilee (Don’t Let Nobody Turn You Around)‚ kann da nur noch den Gnadenschuss geben. Und entlässt zudem mit einem Unmut, der den Großteil der Platte zu Unrecht unter Wert verklärt: es bleiben mindestens 28 grandiose Minuten in Form eines gelungenen Generationsspagats als ansprechendes Cut-and-Paste Album, das vor allem mit den Erwartungshaltungen und der prominenten Nachbarschaft zwischen Rubin/Cash bis Russel/Heron zu kämpfen hat. Es bleibt deswegen zu hoffen, dass ‚The Bravest Man in the Universe‚ nicht der letzte Eintrag in Womacks musikalischer Lebensgeschichte wird. Denn wenn dieses Comeback einen Eindruck hinterlässt, dann leider auch den, dass das hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt und da noch einiges mehr ginge.
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