Bob Dylan – Triplicate

von am 26. April 2017 in Album

Bob Dylan – Triplicate

Wer dachte, dass Bob Dylan seine Vorliebe für das Schwelgen in herrlich altmodischen Klassikern aus dem Windschatten Frank Sinatras nach den beiden nostalgischen Rührstücken Shadows in the Night und Fallen Angels ausgelebt hätte, bekommt nun ein Drippelpack-Wärmekissen mit satten weiteren 30 Songs der selben Gangart um die Ohren wattiert.

Dass Bob Dylan – sagen wir einmal – exzentrisch genug war, um keine Zeit dafür zu haben, den Literaturnobelpreis entgegenzunehmen, könnte also damit zu tun gehabt haben, dass er anhand von Triplicate beschäftigt war, eine weitere, noch erschöpfende Reise durch das amerikanische Songbook bis hinauf in die 1950er aufzunehmen. Abermals (mit einer Ausnahme) allesamt Kompositionen, die bereits von Ol‘ Blue Eyes Sinatra gecovert wurden, und von Dylan stilistisch praktisch ident zu den Nummern auf Shadows in the Night und Fallen Angels interpretiert werden. Womit sich auch Triplicate ganz wunderbar zur zutiefst angenehmen Berieselung während unverbindlicher Aktivitäten wie dem Bügeln der Wäsche und dem allgemeinen Abwasch eignet – oder sich zynischer und respektloser betrachtet auf den ersten Eindruck hin eventuell ganz allgemein wie die Einstimmung auf den mutmaßlichen Alltag im Altersheim anfühlen kann.

Was über die Distanz letztendlich weitaus weniger vorwurfsvoll gemeint ist, als Triplicate tatsächlich klingt. Wie seine beiden direkten Vorgänger speist sich sein 38. Studioalbum nämlich ebenso aus dem immensen Gefühl, mit dem sich Dylan und seine Musiker in die Kompositionen kuscheln, mit dem sie Subtilität mit Virtuosität im vornehmlich getragenen Tempo gleichsetzen, und damit schlichtweg weiterhin jene große Klasse beschwören, die bereits den vergangenen beiden Ausflügen in die selben Gefilde ihre milde Zuversicht und wohlige Anziehungskraft verliehen.
Alles schwoft also wieder mit jazzigen Grundton den Stehblues: Die sehnsüchtig vibrierende Steel Guitar träumt sich zu Erinnerungen an Once Upon a Time, sanftes Besenschlagzeug umgart die Momentaufnahmen aus dem The September of My Years, der Kontrabass schunkelt unaufdringlich, weil The Best Is Yet to Come. „My band and I really seemed to hit our stride on every level with Triplicate“ sagt His Bobness selbst, und man spürt in all diesen zumeist in Zeitlupe perlenden Szenen schlichtweg unmittelbar, was Dylan meint, wenn er rund um dem organischen Sound der Platten von „one of my most satisfying periods in the studio“ spricht.

Triplicate lebt damit primär von seiner bittersüß melancholischen Ausstrahlung, von seiner Ruhe und Weisheit, seiner zeitlosen Unaufgeregtheit. Deswegen ist es auch gar nicht unbedingt wichtig, dass der dritte Aufguss der selben Idee keineswegs sonderlich originell oder gar spannend funktioniert, geschweige denn einzelne Songs gravierend aus dem gleichförmig plätschernden Fluss herausstellt.
Zwar geben sich etwa vor allem die drei erfrischend schlendernden Opener (I Guess I’ll Have to Change My Plans, Braggin‚ und Day In, Day Out) mit ihren ausgelassenen Bläsern besonders munter im Eröffnen der Reigen, und auch das charmante My One and Only Love scheinbar unbeschwert dahinläuft. Oder As Time Goes By so geschmeidig auftritt, während der elegante Swing von The Best is Yet to Come von Weitsicht zeugt und damit Eindruck schindet. Doch bleiben diese Beispiele minimal nuancierte Ausnahmen, die problemlos im Gesamtwerk Triplicate verschwimmen.

Dass Dylan sein erstes Dreifachalbum überhaupt thematisch fein säuberlich getrennt hat (das sehnsüchtige Til the Sun Goes Down, das so wunderbar liebestrunkene Devil Dolls, sowie das versöhnliche Comin‘ Home Late) und zu je zehn Songs mit insgesamt 32 Minuten Spielzeit aufgeteilt hat, spielt letztendlich kaum eine Rolle, weil hier ohnedies ein Stück so beherrscht in das nächste fließt. Das ist zwar bis zu einem gewissen Grad auch übersättigend, man kann Triplicate allerdings dennoch nicht eine meditative Kurzweiligkeit absprechen. Dazu hat die absolut uninronische Sentimentalität der Platten etwas regelrecht tröstendes an sich, mehr noch: Die allgegenwärtige Zärtlichkeit und Zufriedenheit zeigt auf Triplicate einen Musiker, der mit sich selbst absolut im Reinen ist und wohlwissend keiner schlauer Genialitäten mehr bedarf, um in seinen Bann zu ziehen.
Wo der Zeitpunkt von Dylans Nobelpreis-Ehrung also zu einem reichlich fragwürdigen Zeitpunkt seiner Karriere kam, führt der Altmeister sie mit diesem schrulligen Zeugnis einer wachsenden Eigenwilligkeit nachträglich nur spekulativ noch einmal zusätzlich ad absurdum, leistet sich mit dem Albumtitel aber aktuell vielleicht die einzige Zweideutigkeiten seiner Spätphase. (Die hiernach hoffentlich auch endlich wieder eine andere Richtung einschlagen wird).

 

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