Blushing – Possessions

von am 14. April 2022 in Album

Blushing – Possessions

Eklektisch und grundsolide, doch der herausragende Funke fehlt zumeint: Blushing spielen ihren showgazenden Dreampop auf Possessions mit viel Elan und kaum Originalität aus den 90ern kopiert. 

Das Quartett aus Austin hat sich mit seinem selbstbetitelten Debüt 2019 einige Freunde gemacht – unter anderem Lush-Frontfrau Miki Berenyi die auf dem locker-eingängigen Blame zu Gast ist, im Hintergrund bleibend aber für kaum merkliche Schattierungen sorgt: Näher dran am Lush-Tribute als ohnedies schon kann Possessions wohl selbst mit einem Katalysator aus der verehrten Band nicht sein.
Gravierender als ein wenig Eigenständigkeit zeigendes Naheverhältnis zu den Idolen sind aber andere Probleme, mit denen Blushing zu kämpfen haben (über die man als wirklich eingefleischter Genre-Fan jedoch wohl problemloser hinwegsehe kann – weswegen man mit einer grundlegenden Affinität für den Shoegaze und Dreampop diesen 46 Minuten insofern zumindest auf jeden Fall ein Probe-Gehör schenken sollte): Der Gesang und die Gitarrenarbeit sind einfach enorm gleichförmig, unvariabel, leider oft auch schlichtweg langweilig und kompositionell generisch – da kann die Rhythmusabteilung noch so viel Spannung züchten wollen.

Womit man viel eher sogar genau bei der Achillesferse ist, die sich am exemplarischsten am wunderbar ruhigen Herzstück Gel demonstrieren lässt: Blushing agieren sehnsüchtig und verträumt, absolut schöngeistig und imaginativ an den Lehren von Slowdive geschult, baden in einer Atmosphäre des somnambulen Mäanderns – finden aber ausgerechnet hier, auf der reinen Stimmungsebene, eher zum Punkt als auf den stringenter inszenierten Songs. Was gerade deswegen so ins Gewicht fällt, weil die meisten Songs den fokussierten Rock im Auftreten forcieren, relativ stromlinienförmig nach vorne gehen oder zu vorhersehbar zwischen langsamen Momenten sowie dem Druck aufs Gaspedal switchen (etwa in der melancholischen Slowcore-Introspektion Surround (With Love), die irgendwann explodiert; dem entweder schimmernd perlenden Ruhepol oder exzessiver auf Schiene ausbrechenden Waster; dem unverbindlich straighten Lost Cat mit seinem Twist in die 80er-Bruce Springstee-Andacht; Weight oder dem Schlusspunkt How it Ends, der den genormten Kontrast aus hart und zart, laut und leise doch zwingender und packender hinbekommt, aber dabei ein latenter Clusterfuck bleibt) – wobei die Divergenz der Elegie mit dem fast zu kräftigen, zügigen Schlagzeugspiel das sphärische Drumherum an die Wand drängt, es ohne wirklich aufzeigende Ideen umso beliebiger und austauschbarer wirken lässt.

Während man sich am im Einerlei verschwimmenden Sound und Style der Platte also schnell satt gehört hat, wäre Possessions auf seine (gerade in der ersten Hälfte rundum überzeugend gestaffelten) Highlights beschränkt jedoch eine formidable EP geworden.
Das nautische Bed mit seiner The Cure-Prägung nimmt die kraftvolle Produktion von Ringo Deathstarr-Mann Elliot Frazier in den Jangle und Ambient mit, gibt sich aber vor allem fetzig und pulsiert hinten raus im Trommel-Wirbel, bevor der Singalong Sour Punch als Aushängeschild-Single seine Aufbruchstimmung pflegt. Ours wechselt schunkelnd zur Kontemplation im ätherischen Treiben und The Fires arbeitet im konstant Zug dem malerisch texturierten Horizont entgegen. Alessamt kompetente Szene-Überzeugungstaten, die an sich wenig falsch machen.
Weswegen man auch so sehr in Versuchung wäre, dem niemals schlechten, aber eben auch nur so frustrierend soliden Possessions zwischen den Punkten liegend die Aufwertung zu spendieren – dass es diese letztendlich nicht gibt, liegt vielleicht daran, dass der Jahrgang 2022 den Standard für das Genre einfach bereits sehr hoch angelegt hat.

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