Blur – The Ballad of Darren
The Ballad of Darren ist laut Damon Albarn „the first legit Blur album since 13, because we approached it like we would have approached making a record before, with all of us together in the room“. Und tatsächlich geht das Werk mit der Verneigung vor Bodyguard Smoggy im Titel wohl ziemlich genau dorthin, wo Think Thank mit einem stärker involvierten Graham Coxon landen hätte können.
Die Geschichte der Blur-Alben nach dem unsterblichen Klassiker 13 ist aber ist ja nicht nur eine der personellen und örtlichen Diskrepanzen, sondern auch eine der Störfaktoren: Bei Think Tank torpedierten die unangebrachten Rabauken We‘ve Got a File on You und Crazy Beat den Albumfluß eines ansonsten perfekten Meisterwerks, bei Magic Whip war es zumindest das zu sehr nach Albarn Solo-Material klingende New World Towers, dass das Sequencing aus dem Gleichgewicht brachte.
Auf The Ballad of Darren kommt diese Rolle nun zum einen dem schelmenhaft ruppig mit der Dissonanz flirtenden, kauzig polternd nach Zeit zum Warmwerden verlangenden St. Charles Square zu, das, wenn nicht sogar als Standalone-Single (mit Sticks and Stones als B-Seite) besser ausgehoben, sich zumindest zwischen The Ballad (alias Half a Song, der wie über einem Thin Tank‚esken E-Drumbeat plätschernd mit tollen Harmonie-Gesängen und so viele fabelhafte kleine Einfälle passierend, in denen Coxon seinen Zauber in kleinen Facetten aufblitzen lässt, während sich die Band entspannt in angenehme Streicher zurücklehnt, absolut repräsentativ viele Stärken des Albums installiert) und Barbaric ein wenig wie ein gegen den Strich gebürsteter Fremdkörper in der sonstigen Homogenität – ja, auch milden Gleichförmigkeit im weitestgehend ungefährlich Midtempo – anfühlen.
Und zum anderen bleibt auch die Frage, warum die beiden dermaßen großartigen Nummern The Rabbi und vor allem The Swan nur als Bonus Songs verbraten wurden, zumal sich die beiden Stücke doch (stilistisch, stimmungstechnisch, ästhetisch) ganz fabelhaft in das (mit 36 Minuten Gesamtspielzeit zudem auffällig kurz geratene) Gefüge eingliedern hätten lassen.
Wie dem auch sei, haben Blur rund um den so liebenswürdig twistenden, unbekümmerten Instant-Ohrwurm The Narcissist (dem in Sachen Hit nur das tolle Pirouetten von Jangle zur Reverb-Grätsche mit Streicher-Unterstützung schlagende Pop-Juwel Barbaric in seiner relativen ausgelassenen Feierlaune Konkurrenz macht) ansonsten ein in sich geschlossenes, die Lounge der Arctic Monkeys wertschätzendes Album für das eigene Stammpublikum geschrieben, das sich verhältnismäßig unspektakulär als Grower entpuppt. Zuverlässig und subversiv facettenreich entwickelt das bedachte, so großartige Songwriting von The Ballad of Darren gerade als Ganzes eine wunderbar unaufdringliche Gravitation, die am Stück aufwiegt, dass es praktisch jedem Song an dem überwältigenden, genialen Höhepunkt oder Twist fehlt, der wirkliche euphorische Begeisterung hervorrufen würde, während die Band dem Hang zum berieselnden Wohlklang und zu bekömmlichen Abblenden in einem ereignislosen Verblassen nicht entkommen will.
Dennoch passt das Martin Parr-Artwork mit der friedlichen Entspannung im Vordergrund, während sich in der Tiefe aufwühlende Szenen zusammenbrauen, hervorragend zum Charakter des neunten Blur-Albums – nicht erst, wenn sich der Closer The Heights in die Aufbruchstimmung zur puren Schönheit des Noise schwingt und den sukzessiven Stecker zieht: „Are we running out of time?/ Somеthing so momentary that you can only be it?“
Russian Strings stackst relaxt mit verträumte’ Klavier und sommerlichen Gitarren im souligen Flair der Sehnsucht schwelgend ohne schmalzig zu croonen, bevor The Everglades (For Leonhard) die entspannt gezupfter Gitarre und bittersüße fließenden Streicher in Melancholie wiegen. Goodbye Albert ist sphärisch von Samthandschuhen entrückter Elektro-Pop dessen Ecken ein keineswegs unterrepräsentierter, aber eben zu jedem Zeitpunkt so dezent arbeitender Coxon herrlich angeschrammt verziert, derweil Far Away Island kammermusikalisch im Slo-Mo-Walzer zum Urlaubs-Flair schreitet und Avalon sich mit etwas mehr Dramatik am Horizont samt orchestraler Geste harmonieselig zur heulenden Gitarre gemütlich in den Armen liegt.
Und derweil dabei trotzdem immer der etwas frustrierende Beigeschmack bleibt, dass Blur aus dem vorhandenen Material mit einem anderen Sequencing* ein noch besseres Album basteln hätten können, platziert sich The Ballad of Darren auf dem Höhepunkt der durch The Nearer the Fountain, More Pure the Stream Flows, Radio Songs, The Waeve und Cracker Island entfachten Welle doch erstaunlich problemlos im Mittelfeld der hauseigenen Diskografie.
*beispielsweise mangels Sticks and Stones ohne St. Charles Square, oder aber als Komplettpaket:
The Ballad
Barbaric
The Rabbi
Russian Strings
The Everglades (For Leonard)
The Narcissist
Sticks and Stones
St. Charles Square
Goodbye Albert
Far Away Island
Avalon
The Swan
The Heights
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