Blur – Live at Wembley Stadium
Live at Wembley Stadium: Blur zeigen sich bei ihrem am 9. Juli 2023 aufgenommenen – und für die Nachwelt im Deluxe-Paket konservierten – Mega-Konzert in solch frecher-ausgelassener Spiellaune, dass braven Perfektionisten die Ohren dröhnen werden könnte.
Vom krachigen Opener St Charles Square weg knarzen und sägen die herrlich hemmungslosen Gitarren, alles wirkt (trotz eines klar und prägnant eingefangenen Klangbildes) ungeschliffen und roh, das Studiomaterial fast punkig vor sich hertreibend. Von einer Band gespielt, die merklich Spaß daran hat, lieber verschwitzt aus sich herauszugehen anstatt Kanten zu glätten; die wild über die Bühne sprintet, und dies vom Publikum mit enthusiastischer Energie zurückgezahlt bekommt.
There’s No Other Way darf deswegen gesanglich schonmal die Töne verpassen, zur Not macht ja das ausverkaufte Wembley Stadium den Chor, während sich die Band beispielsweise in Tracy Jacks wie torkelnd im Guerilla-Harmoniegesang umarmt. Nicht nur Sunday Sunday lebt seine Weirdo-Tendenzen besonders neckisch aus, derweil Out of Time von einem weitestgehend entfesselt auftretenden Graham Coxon so kantig vom Rock verführt wird wie Song 2 knisternd föhnt, bevor im emotionalen Under The Westway zwar die Tränen fließen, aber selbst Tender zur Party wird. Beetlebum, Coffee & TV, End of a Century, …die Stafette aus Klassikern tobt sich stets ein wenig schief aus, agiert ein bisschen aus dem Leim gegangen, kumpelhaft schroff und impulsiv neben der Spur zusammenfindend. Das fetzige Trimm Trab, ein am Gaspedal mit Megaphon hinausposauntes Advert oder das exzessive Oily Water sind da allesamt ebenso repräsentativ für die Attitüde der Show wie ein nahtlos eingefügtes The Narcissist.
Schade nur, dass vom damals gerade in den Startlöchern stehenden The Ballad of Darren nicht mehr Songs präsentiert und auch Think Tank und The Magic Whip für die Setlist nahezu vollends ignoriert wurden. Überhaupt ist die Auswahl der Nummern arg konservativ und bietet im Vergleich zu den bisherigen Live-Mitschnitten der Band inhaltlich nur einen überschaubaren Mehrwert. Doch wo es diesbezüglich interessantere Konzerte der 2023er-Tour gegeben hätte, hat Live at Wembley Stadium in seinem freudetrunkenen Sturm-und-Drang-Zustand, der sich der Gefälligkeit unter Strom stehend entzieht, für das Fan-Herz einen immensen Reiz. So hungrig und im positiven Sinne unbeherrscht getrieben Blur hier auftreten, ist es eigentlich unglaublich, dass die Band bereits wieder auf Eis liegen önnte.
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