Blues Pills – Holy Moly!

by on 26. August 2020 in Album

Blues Pills – Holy Moly!

Blues Pills haben seit Lady in Gold vielleicht ihr juveniles As im Ärmel verloren, stemmen sich dafür nun aber auf Holy Moly! umso kraftvoller in ihr 70s-Vintage-Panorama aus Bluesrock und Psychedelic Soul.

Nach dem (bereits bei Erscheinen, aber noch mehr im Rückblick) kaum Eindruck hinterlassen habenden Zweitwerk der Schweden waren personelle Umbrüche vielleicht zwangsläufig nötig. Tatsächlich haben die seit 2016 stattgefundenen Besetzungswechsel und Rochaden dem Hunger der Blues Pills dann auch wirklich gut getan – obgleich diese Revitalisierung genau genommen aufgrund einer schnörkelloseren, weniger detaillierten Direktheit geschieht, die Motivation vor die Inspiration prescht und die Attitüde primärer Motor und Antrieb wird.
Doch der Reihe nach: Das ehemalige Wunderkind Dorian Sorriaux ist seit 2018 aus dem Band-Kontext (in aller Freundschaft) raus, Bassist Zack Anderson dafür ein Jahr später vom Bass auf den vakanten Posten an der Gitarre gewechselt, und Kristoffer Schander nunmehr an den Tieftöner nachgerückt. Was an sich nichts am angestammten Sound der Band ändert, der immer noch zwischen Rival Sons, Graveyard und Janis Joplin von vergangenen Tagen träumen lässt.
Aber eben: Die Agenda der Band ist nun frontaler geworden, weil das Songwriting und das Spiel durch die Rollenverteilung verlagert – was an filigranen Nuancen verloren ging, wird durch kraftvolle Energie zu kompensieren versucht.

Eine Rechnung, die erstaunlich gut aufgeht, wenngleich Schönheitsfehler bleiben, wie sich gleich beim effizient funktionierenden Einstieg feststellen lässt.
Proud Woman poltert als Vorschlag-Hymne mit plakativen Texten und ist in seiner Retro-Klasse absolut kompetent, doch bleibt abseits der Botschaft und der Vintage-Ästhetik kaum prägnantes hängen, gerade instrumental sind die Ideen ein Aufguss aus generischen 08/15-Bausteinen. Low Road kocht dies mit noch mehr Pfeffer auf, addiert zum Erbe von Black Sabbath eine Portion Speed und Fuzz, gibt die Richtung der einen stilistischen Amplitude der dualistischen Platte aus – schnörkelloser, straighter, kompakter: Blues Pills stellen Einsatzbereitschaftdorthin, wo früher detailliertes Talent überzeugte.
Tighte Nummern wie das lässig mit wunderbar dicht schiebendem Rhythmus auftretende Rhythm in the Blood stehen in dieser Ausrichtung neben soliden Standards mit handwerklich anpackender Performance (Dreaming My Life Away, Kiss My Past Goodbye), oder dem catchy stompend und hämmernden, aber eindimensional bleibenden Bye Bye Birdie. Diese knackigen Vertreter machen ordentlich Laune, bevor die Platte über ein zu genormtes Wechselspiel aus lauten und leisen Nummern in ihrer Mitte ab der zweiten Hälfte den balladesken Anteil vor den Rock zu stellen beginnt.

Schon California lehnt sich smoother zurück, füttert seine nostalgische Ader auch mit einem Piano und feinen Backingchören vor dem leidenschaftlich flehenden Beschwörungen von Sängerin Ellin Larsson in permanenter Hochform, bevor Dust mit heavier auftretenden Untertönen ein schwofender Verführer ist, wie er auch Danger Mouse und den Black Keys gefallen wird, während Wish I’d Know melancholisch nachdenkend in die Abwesenheit der Alabama Shakes sickert.
Wahlweise gefällt diese ruhigere Spielweise sogar noch besser als die ruppige, doch ist es noch mehr als mit aufgedrehten Verstärkern eher das Gefühl der Band, die von ihr kreierte Stimmung, der organische Sound und die grundlegende Authentizität, die hier nachhaltig fesselt und das Gewicht in die Darbietung bringt – abseits der Vocals sind die Melodien und Riffs der Platte ganz allgemein niemals originär, speziell, erinerungswürdig oder gar ikonisch. Auch die unbedingten Hits waren 2014 noch zwingender.
Allerdings geht Holy Moly! so hinten raus doch auch ein wenig die Luft aus, lässt die Spannung nach und plätschert das Momentum in den Hintergrund, wenn Song from a Mourning Dove als ruhige Pianoballade zwar immer wieder energisch aufkocht, aber unverbindlich bleibt, und Longest Lasting Friend im vollends entschleunigten Sinnieren nur den harten Kern von Larsson und Anderson an Gitarre und Gesang ins Rampenlicht holt, dabei aber vergänglich verglüht: Man will es offenbar noch einmal beweisen, das eigene Können zum Schaulaufen schicken, auch wenn die Substanz durchschaubar bleibt.
Dennoch ändert dies nichts am übergeordneten Eindruck, den das zweitbeste Album der Band hinterlässt: Blues Pills haben als eine der relevantsten Szene-Vertreter mit Holy Moly! ihren Biss wiedergefunden, auch wenn der Funken auf kompositioneller Ebene (noch) nur zur Sparflamme führt.

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