Blood Incantation – Absolute Elsewhere

von am 8. Oktober 2024 in Album

Blood Incantation – Absolute Elsewhere

Der Hype kommt nicht von umsonst: Blood Incantation haben mit Absolute Elsewhere das Album aufgenommen, auf das ein Gutteil der Death Metal-Welt seit 2019 aufgrund von Hidden History of the Human Race wartet.

Hat das Quartett aus Denver seine Kern-Hörerschaft in den vergangenen fünf Jahren darben lassen, fährt es mit seinem offiziell dritten Langspieler nun jedoch unter euphorischen Reaktionen im Feuilleton im dualistischen Spagat zwischen den Stilen gleich in den ersten fünfeinhalb Minuten von Absolute Elsewhere so demonstrativ die Ernte ein, die über die polarisierende Sidequest Timewave Zero (2022) und der halben Wurzelbesinnung Luminescent Bridge ausgesät wurde.
The Stargate, der erste der beiden seitenfüllenden, über zwanzigminütigen (und für etwaige Streamingportale konsumfreundlicher in jeweils drei „Tablet„-Segmente unterteilten) Longtracks der Platte hält sich nicht lange auf, prescht direkt nach vorne. Episch ballernd und aggressiv fiepend wetzt die Nummer röchelnd zum ersten Twist nach 120 Sekunden, wo Blood Incantation unvermittelt auf die Bremse treten und in den 70s-affinen Instrumental Progressive Rock umschalten, wo Moogs wandern und Gitarren erhabene Anachronismen malen – bis die Band plötzlich wieder peitschend in einen galoppierenden Walküren-Ritt zurückkippt, den Metal mit heroischen Bögen fast sinfonisch schwingt, eine orientalische Majestät samt psychedelischem Subtext andeutend.

Absolute Elsewhere ist danach im weitesten Sinne ein Wechselspiel aus diesen beiden Polen: fokussierten Jams, die sich trotz eines generischen Nährbodens nicht wahllos in der Beliebigkeit verlieren, sondern mit einem trittsicheren Gefühl für aus der Zeit gefallene Atmosphären und einer innigen Liebe für Pink Floyd, Eloy und andere Genre-Größen auf der einen Seite auftrumpfen, und abenteuerlichem Death in zwingender Intensität auf der anderen, der für sich genommen vielleicht nicht derart ikonische Höhen wie auf Starspawn und Hidden History of the Human Race erklimmt, dabei aber eine Referenz-Klasse zeigt, die Blood Incantation mit einer bedingungslosen Selbstverständlichkeit als eine der besten (und auch konsenstauglichsten) Bands ihres Metiers adelt.
Vor allem aber lebt Absolute Elsewhere von der kontrastierenden Synergie inmitten seiner beiden Pole. Am eindrucksvollsten vielleicht in den Tablets 2 und 3 von The Message, wo Blood Incantation einen unverblühmten David Gilmour-Wish You Were Here-Part mit melodischem Klargesang in eklektischer Authentizität so makellos spielen, als wäre dies seit jeher die dominierende Basis ihrer DNA, nur um dann ein tollwütiges Riff so energisch loszuschleudern, dass es kaum kraftvoller mitreißen könnte (bevor naturalistische Harmonien ein episch gesteigertes Finale beschwören, dem nur ein Ambient-Abspann versöhnlichen Ausgleich verschaffen kann).

Nach seiner impulsiv konstruierten Eingangsphase lässt die Band die Übergänge in weiterer Folge übrigens auch meistens weitaus geschmeidiger fließen, gibt den einzelnen Passagen mehr Zeit und Raum zum erforschen ihrer Welten bekommen und legt jedwede Hektik weitestgehend ab, auch wenn manche Transformationen der Achterbahnfahrt zumindest im Ansatz holprig bleiben.
Der Einstieg in The Message (Tablet I) mit der Leichtigkeit und Lockerheit im zu den 80er schielenden Sound überzeugt im idyllischer verschweißten Collagen-Kräftezehren so etwa ansatzlos, auch wenn der Song grundlegend aus weniger überragenden Einzelideen besteht, die hinter dem viertönigen Leitmotif zu einem furiosen Mastodon-meets-Slayer-Abgang attackieren.
Am überragendsten gelingt aber The Stargate in den Tablets II (das, mit Geduld die vielleicht sogar homogenere Einleitung in das Album bietet) und III, indem zuerst Tangerine Dream-Mann Thorsten Quaeschning als Gast mit Synthesizer und Mellotron die Stimmung in sphärische Space-Welten taucht, in der Kosmischen Musik und Berliner Schule badet, damit die technisch so virtuose Band folkloristisch zupfend später eine beißende Heaviness – erst langsam, dann immer rasender – in der Hypnose von der Leine lassen kann, bis eine perkussiv tänzelnde Festlichkeit samt schamanenhaftem Chant und freidrehenden Gitarren eine polternde Abfahrt einleitet, die an die besten Szenen von Ghost Reveries denken lässt.
Während das Umschaltspiel im Songwriting also gelegentlich etwas zu abrupt wirkt, wo eine nahtlosere Fusion zum Amalgam zwischen den generell Stilen wünschenswert gewesen wäre, anstatt die Prog-Parts hier und da ein klein wenig zu mutwillig und formelhaft in den Death zu pressen, lässt Absolute Elsewhere entlang einer superben Performance, traumhaften Produkion und klarem Mix in aller Kurzweiligkeit dennoch wenig zu bemängeln: in jeder seiner 43 Minuten Spielzeit ist die allgemeine Begeisterung und der grenzübergreifende Hype um dieses fulminante Werk in herrlich ansteckender Spielfreude absolut nachvollziehbar.

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