Black Map – Melodoria

von am 22. Februar 2022 in Album

Black Map – Melodoria

Die Rückkehr von Dredg lässt weiter auf sich warten. Vielleicht hat Mark Engles den Sound seiner Allstar-Band Black Map für deren Drittwerk Melodoria auch deswegen noch weiter in die eigene Vergangenheit geöffnet.

Auch wenn der nicht jede sich aus dieser Kategorisierung ergebende Kritik wirklich fair sein mag, krankt Melodoria im weitesten Sinne an drei Problemen.
Das erste ist, dass da im Verlauf der gebotenen 43 Minuten gerade jene Szenen aufzeigen, deren Substanz nahelegt, in den Händen von Dredg noch bestechender geformt hätte werden können, als von Black Map. Der starke Opener Chasms verschweißt etwa Emo-Stadion-Nuancen a la Jimmy Eat World massentauglich (samt Biffy-Ohohoos) mit einem kompakt in die 90er drückenden Alternative Metal-Palm-Muting-Riff, besticht aber erst durch eine Bridge, die auch beinahe von Catch Without Arms stammen könnte. Das atmosphärisch offene Nothing Over Me ist ebendort eine Symbiose mit den Lehren von U2, ungezwungen und weicher, während das flotte Witching Hour seinen Refrain verträumt zur Stammband von Engles schickt und die klackende Same Ol‘ Road-Passage das Highlight der 08/15-Genrenummer In the Wires darstellt.

Das zweite Problem von Melodoria ist dort anknüpfend, dass Black Map es sich – trotz der Hinwendungen zu postrockiger den Raum öffnenden Tendenzen, im alte Tugenden aufnehmenden Gitarrenspiel und den Effekten durchaus paradoxerweise – mehr noch als auf …And We Explode sowie In Droves ohnedies schon strukturell viel zu einfach machen und im Zweifelsfall immer die gefällige Abzweigung zum Formatradio nehmen: Das Trio klebt seine tollen Ideen an simplen Muster, repetiert Refrains teilweise wirklich ärgerlich oft übersättigend über Gebühr und lässt die Kompositilenn kantenloser (und ja, damit auch egaler) erscheinen, als sie es angesichts ihrer detaillierten Akribie tatsächlich sind.
Das auf eine dominant grummelnde Rhythmussektion gebaute Super Deluxe mit seiner catchy Hook würde etwa auch der aktuellen Form von Bush alle Ehre machen, zumal der Chorus hymnisch zugänglich den Zug von Ben Flanagan zu derartigen Szenarien verdeutlicht. Doch so spannend das Riffing und die Drums zudem auch geraten – Black Map spielen die Nummer symptomatisch reibungslos auf die sichere Seite.
Risiken ausklammernd läuft das unleugbare Händchen für Eingängigkeiten insofern stets in die Gefahr zu austauschbar zu agieren, denn die referentiellen Eklektiker von Black Map sehnen sich merklich nach Tagen, in denen Videos auf MTV noch Erfolge für Konsorten wie Breaking Benjamin, Shinedown, Chevelle oder Filter bedeuteten – tauchen mit generischer Handbremse dabei allerdings nicht restlos ambitioniert in dieser nahverwandten Masse schon auch immer wieder unter.

Das dritte und letzte Manko der Platte ist dann ein ausnahmslos subjektives – und so oder so Jammern auf hohem Niveau. Flanagan kann mit seiner klaren, hellen Stimme am Mikro freilich, was er tut. Allerdings schwingt seiner Performance auch stets das Gefühl einer unspektakulären Typecast-Voice-Standardisierung mit. Wenig falsch machend gelingt es ihm auf emotionaler Ebene nicht, wirklich charakterstark zu packen, seine Stimme funktioniert primär auf einer handwerklichen Ebene mit profesioneller Distanz – die Amplituden (gerade in die aggressiveren, zwingenden Ausbrüche, hin zur Inbrunst oder Manie, zur Euphorie oder Katharsis und Intensität) bleiben aus. Die Schattierungen von Melodoria operieren so an der Oberfläche und spielen einer gewissen Unschärfe im Charakterprofil zusätzlich in die Karten.
Das alles mag negativer klingen, als es tatsächlich ist – und einen wirklich Ausfall sucht man hier freilich ohnedies vergebens. Nur ist das Ergebnis dennoch ein frustrierendes – egal ob Capture the Flag mit herrlich knarzendem Bass Keane reminisziert; Madness hell und hoffnungsvoll plätschert; Left for Dead alleine schon Gavin Rossdale sehr viel Spaß machen wird, mit seinem tollen Kontrast aus der ziseliert am gespannten Hals plingenden Gangart und der konventionellen Breitseite; Burnout (Do You Mind?) sein Dasein als gefühlvolle Acoustic-Ballade gegen die harmlose Sehnsucht eines Black Map-Formelstücks eintauscht; oder der Titelsong eine majestätische Grandezza anvisiert, aber den letzten Meter zur genialen Megalomanie einfach nicht in Griffweite bekommt. Und damit exemplarisch für Melodoria steht. Denn eine Platte, die mit mehr Konflikpotential groß und überwältigend hätte sein können, ist stattdessen stets zu angepasst und ein wenig egal – und sie entlässt in Summe undankbarerweise auch deswegen frustrierend, weil sie sich ob der Entwicklung des Trios erstmals in der Diskografie der Band wie ein unbefriedigendes Methadonprogramm anfühlt (aber hier mit Fanbrille dennoch die wohlwollende Aufwertung zwischen den Punkten liegend erfährt).

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