Black Flag – What The…
Eigentlich eine schlaue Strategie der Band, die sich Black Flag nennen darf: erst verlieren Greg Ginn und seine Kombo durch tumbe Streitigkeiten mit Flag beinahe alle der wenigen vorhandenen Symphathiepunkte, dann serviert man ein potthässliches Albumcover sondergleichen und versuchte durch die ach so kokette Steilvorlage für vernichtende Rezensionseinleitungen mit dem Albumtitel Kritikern gleich selbst ein wenig Wind aus den Segeln zu nehmen. Weswegen sich ‚What the…‚ allerdings auch plötzlich in der glücklichen Lage befindet über den demolierten Erwartungshaltungen das Denkmal der Hardcore-Legende anzugreifen.
Will man dem ersten Black Flag Album seit knapp 28 Jahren tatsächlich etwas abgewinnen, muss man dies vollends losgelöst von all den Begleitumständen versuchen unter denen dieses Werk erzwungen wurde, Scheuklappen aufsetzen und die ruhmreiche Vergangenheit der Band schlichtweg ausklammern. Denn um es vorwegzunehmen: mit den klassischen, verehrungswürdigen Black Flag hat die Band, die nun auf ‚What the…‚ ihr Unwesen treibt einfach nichts zu tun.
Doch der Reihe nach. Fakt ist: Greg Ginn und seine zusammengewürfelte Truppe haben seit ihrem „Comeback“ sehr viele falsche Entscheidungen getroffen. Ein Schema, das sich auf ‚What The…‚ nahtlos fortsetzt und deswegen auch die wenigen positiven Aspekte dieser Platte nahezu obsolet macht – wie etwa jenen, dass man der Band durchaus ihre Mühen anhört, die eigene Vergangenheit nicht zu brüskieren, sondern es allen Kritikern noch einmal richtig zeigen zu wollen; dass der seit der ‚Jealous Again‚-EP in der Versenkung verschwundene Ron Reyes kein Henry Rollins und auch kein Keith Morris ist, textlich wenig relevantes wenig eigenständig zu sagen hat, aber eben durchaus mit Feuer ins Mikro brüllt; oder dass Ginn und Co. ihre Melodien stets mit einer gewissen Grundeingängigkeit skizzieren, ‚What the…‚ häppchenweise konsumiert gar immer wieder ansatzweise (etwa im groovenden ‚Down In The Dirt‚ oder ‚I’m Sick‚) kurzweilig nach vorne poltert.
Aber darüber hinaus vor allem (und viel schwerwiegender) monoton ohne Ende – man kann es nicht anders sagen – absolut beschissen produziert ist. Greg Ginns Gitarre turnt drängend über dem gesamten restlichen Soundmatsch rund um den hüftsteifen Schlagwerker Gregory Moore, der definitiv kein geborener Hardcore-Schlagzeuger mit Know How oder Gefühl ist. Sein Instrument klingt dazu derart dumpf als stünde es zwei Kneipen weiter als der Rest der Band gerade ihren statischen Radau fröhnt. Der Bass gurgelt dazu mit bemüht unfrisiert, es entsteht ein befremdlicher Bollo-Proll-Ansatz, was dem (theoretisch) siebenten Black Flag-Album in Summe zwar durchaus eine eigenwillige Pseudo-DIY-Note verleihen mag, aber auch anmutet, als würde das Trio (das ‚My War‚-“ Phantom“ Dale Dixon stand während der Plattenaufnahmen am Bass) den selben Song immer wieder wenig einfallsreich variieren (einzige Ausnahme: der Closer ‚Off My Shoulders‚ klingt wie eine dieser müden Altherrenkompositionen, die Lou Reed die letzten Jahre seines Lebens mit harten Rock verwechselt hat): Ginn selbst scheint ein und das selbe Riff durch über ein Dutzend Songs jagen – vielleicht sind es auch immer verschiedene, die allerdings permanent ident klingen? Eine unfassbar ermüdende bis beiläufige Angelegenheit über die Gesamtlänge von 22 matschigen Songs jedenfalls.
Der Eingangs nahegelegte Ansatz ‚What the..‚ nicht als Black Flag Album wahrzunehmen um sich der Platte möglichst wertfrei zu nähern ist letztendlich ein beinahe paradoxer und absolut absurder, da die schwerwiegenste Fehlentscheidung Ginns jene war, diese Platte überhaupt unbedingt unter dem Black Flag-Banner vertreiben zu müssen. Denn die versammelten 43 Minuten haben schlicht und ergreifend absolut nichts mit Band zu tun, deren Schaffen zwischen (großzügig gerechnet) 1976 und 1986 auf ewig einen Platz in den Annalen der Musikgeschichte haben wird.
Freilich: unter einem anderem Banner wäre ‚What the..‚ zwar wohl ebenso in der Egalität verschwunden wie alles, was Ginn seit dem Ende von Black Flag angefasst hat – nicht vollends zu Unrecht. Aber zumindest hätte die Chance bestanden sich dem Projekt auf neutraler Basis zu nähern, und einer eintönigen, aber durchaus ambitionierten, sogar eigenständigen Platte (deren zahlreiche songwriterischen Schwachstellen die durchaus vorhandenen guten Momente überdecken) die Möglichkeit geboten ehrenvoll daran zu scheitern, was Keith Morris aktuell mit Flag und Off! oder sogar die alten Kiffer der Bad Brains soviel besser vormacht: sich trotz aller (altersbedingten?) Schrulligkeit ansatzweise sympathisch und zumindest absolut authentisch an alten Werten zu verbeißen – vor allem aber ohne sich zwangsläufig den Vorwurf gefallen lassen zu müssen das eigene Vermächtnis mutwillig am Altar des Kommerz zu verraten.
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