Black Country, New Road – Live at Bush Hall
Black Country, New Road halten sich nicht unnötig mit dem Hype um (das nach dem Ausstieg von Isaac Wood auf der Bühne ohnedies nicht reproduzierbaren) Ants From Up There auf, sondern blicken mit Live at Bush Hall gleich mal ansatzlos in die Zukunft.
Während die Trennung von Frontmann Isaac Wood wohl für das Gros der Fans der britischen Senkrechtstarter einem Schock gleichkam, war es subjektiv gesehen eine gute Nachricht – stellten der Gesang und die Texte von Wood doch wahlweise die größte Achillesferse des Kollektivs dar.
Während insofern nun also polarisierenderweise die Ausgangslage dafür geschaffen war, damit die durch diesen Abschied zum Sextett geschrumpfte Band sich doch nun bitte gefälligst dorthin entwickeln könnte, wo man selbst sie lieber hören würde, als es For the First Time und Ants from Up There darboten, galt es aber natürlich eigentlich und naheliegenderweise vor allem zu klären, wie Black Country, New Road selbst die veränderten Umstände (oder eigentlich, die nach dem Ausstieg von Conor Browne bei den 2018 aufgelösten Nervous Conditions zyklischen Spiegelung eines bereits einmal ähnlich erlittenen Frontmann-Schicksals) verdauen würden.
Mit ausnahmslos neuen Material, das am 15. und 16. Dezember 2022 in der Londoner Bush Hall gespielt und gleich auch für das erste Live-Dokument der Band aufgenommen wurde, zeigt sich, dass der musikalische wie auch kreative Überlebenstrieb der Engländer jedoch absolut intakt ist – und idealer noch – zukünftig doch auch wirklich Hand in Hand mit dem persönliches Wunschdenken zu gehen scheint.
Im Spagat zwischen erkennbarer Transformation samt neuen Optionen und erkennbar beibehaltenen Charakter-Eigenschaften bleibt das Art-Rock-Songwriting jedenfalls primär weiterhin an den guten, kammermusikalisch theatralisch-dramatischen Pathos-Wurzeln von Arcade Fire interessiert, allerdings tut es der Ästhetik gut, dass sich nun Bassist Taylor Hyde, Saxophonist Lewis Evans sowie Keyboarderin May Kershaw (aber nicht Jockstrap-Violinistin Georgia Ellery) den Gesang aufteilen, bieten sie doch gesanglich ein breiteres Spektrum an, in dem man sich zwar sofort vertraut abgeholt fühlt, dessen emotionaler Zugriff jedoch unmittelbarer zündet.
Das Songwriting der Kombo bleibt schließlich auch ohne den vorherigen Leithammel gewohnt klasse, wird aber um den Faktor Wood korrigiert doch in einen höheren Level gehoben – und weil die Produktion des Mitschnitts zudem auch noch keinerlei Wünsche offen lässt, fühlt sich Live at Bush Hall gewissermaßen sogar wie veritables Studioalbum Nummer 3 in der Black Country, New Road-Diskografie an, das die Zäsur erfolgreich und ohne Bruchstellen in den Lebenslauf integriert hat – und dem geneigten Fan relativ barrierefrei, aber keineswegs kanten- und reibungslos gleich zahlreiche neue Lieblingsnummer anbietet.
So stürmisch nach vorne klimpernd und direkt die Bläser auspackend der Up Song (freilich nicht mit Dragon Sound mithalten könnend) die „Friends Forever“-Umarmung auspackt, so versöhnlich-melancholisch schließt Up Song (Reprise) am anderen Ende die Klammer subversiver, aber die melodische Adaption der Flaming Lips freizügiger zugebend, während The Boy Björk‘esk so strukturoffen wie avantgardistisch märchenhaft lebendig und neugierig durch den liebenswürdigen Märchen-Prog in mehreren Kapiteln wandert. I Won’t Always Love You mäandert holprig neben der Spur und lässt sich dann in einen Radiohead‘artigen Folk-Groove gleiten, derweil Across the Pond Friend jubilierenden Indie schief und gezwungen sehr charismatisch zur mehrstimmigen großen Geste führt.
Laughing Song ist ein barrockes Herantasten an das Pompöse und The Wrong Trousers schaukelt sich ein bisschen prätentiös zum Gemeinschafts-Panorama auf. Turbines / Pigs reklamiert bereits jetzt für sich, aus der Intimität zum überlebensgroßen Klimax gesteigert das vorläufige Meisterstück dieses gar nicht so sehr wie eine Übergangsphase klingenden Neustarts zu sein, bevor Dancers sich in den Sternenhimmel blickend in die harmonische Katharsis schunkelt. Spätestens hier ist diese Inkarnation von Black Country, New Road dann auch wirklich nicht mehr weit davon entfernt, sich formvollendet selbst halb-neu gefunden zu haben. Die Theorie, dass die Trennung von Frontmann Isaac Wood aber das beste gewesen sein könnte, was den Briten passieren konnte, scheint sich zu bewahrheiten.
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