Björk [19.09.2023: Stadthalle, Wien]
![Björk [19.09.2023: Stadthalle, Wien] Björk [19.09.2023: Stadthalle, Wien]](https://i0.wp.com/www.heavypop.at/wp-content/uploads/2023/09/Bjoerk-4.jpg?resize=600%2C400&ssl=1)
Zauberhaft und einzigartig – wenn auch im suboptimalen Setting der Wiener Stadthalle im Zweifelsfall dann doch eher ohne den final überspringenden Funken Magie: Erstmals seit 1998 gastiert Björk wieder in Österreich.
Ein paar Gedanken vorab, die nur peripher mit der Show in der ausverkauften, ausnahmslos bestuhlt bespielten Stadthalle an sich zu tun haben.
Dass einige Fans erst mit einer solchen Verspätungen zu der Veranstaltung erscheinen, dass sie tatsächlich erst knapp vor dem Ende des (mit einer halben Stunde Verspätung um Punkt 20.00 Uhr beginnenden, ziemlich genau neunzig Minuten dauernden) Konzerts zu ihren Plätzen geführt werden, verwundert zumindest in finanzökonomischer Hinsicht angesichts der nicht unbedingt günstigen Ticketpreise (zu denen übrigens das entsprechende Merch passt).
Auch ist es auffällig, dass ein hoher Anteil des anwesenden Publikums nicht das Sitzfleisch zu besitzen scheint, um der ohnedies sehr kurzen Aufführung durchgängig beiwohnen zu können, ohne sich mit der Zufuhr (alkoholischer) Getränken zu versorgen oder die Ausfuhr der Notdurft verrichten zu müssen. Wenigstens die Frage, wie besagte Personen einen Kinobesuch durchstehen, ist nach den wandernden Pilgerströmen im Saal jedenfalls aufgeworfen.
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© Björk
Abseits davon aber gibt sich die (dem Wunsch, auf Foto- und Video-Mitschnitte zu verzichten, weitestgehend nachkommenden) Zuseherschaft absolut begeisterungsfähig, applaudiert zwischen den Nummern frenetisch und später auch mit stehenden Ovationen, feiert Björk bei ihrem ersten Österreich Gastspiel seit den Libro Music Days vor einem Vierteljahrhundert ausgelassen im angemessenen Ausmaß.
Und das, obwohl es streng subjektiv gehört kaum Prime-Björk-Material zu hören gibt: die Setlist der (seit rund 2019 in verschiedenen Variationen deklinierten) Cornucopia-Tour besteht zu einem Gutteil aus dem beinahe vollständig gespielten 2017er-Album Utopia – und damit einem ihrer schwächeren Werke – während fünf Songs vom aktuellen Fossora (eine irgendwann als Industrial-Club hämmernde, um damit für willkommene harte Kontraste im sorgende Verbindung aus dem Titelstück und Atopos, Mycelia, Ovule und Victimhood) und je ein Vertreter von Debut, Post, Verspertine, Medúlla und Vulnicura das restliche Abendprogramm füllen, dabei aber die großen Hits der Isländerin Konsequenz umgehen. Eine traumhaft arrangierte Highlight-Version von Isobel, das chorgestützte Pagan Poetry und ein flötierendes Venus as a Boy ragen (obgleich vom aktuellen mikrobiologisch-
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© Björk 3
Es spricht aber für sich, mit welcher absoluten Kurzweiligkeit Cornucopia förmlich verfliegt, diese Dimension aus fremdartiger Naturalität und fantastischer Techno-Abstraktion ohne jede Länge in den Bann seiner audiovisuellen Dichte fesselt – beginnend bei den vogelähnlichen Geräuschen, die schon vor der Show die Stadthalle in eine stimmungsvolle Atmosphäre streicheln, bis Björk und ihre fauenhafte Gefolgschaft sich hinter einem Kordelvorhang entdecken lassen und daraufhin durch einen optisch wie musikalisch opulenten Reigen führen.
Begleitet vom choreographisch tänzelnden Flöten-Septett Viibra, Percussionist Manu Delago (der nicht nur aufgrund seines Heimvorteils der heimliche Held des Abends ist, sondern weil seine schwindelerregende Performance eine unbändige Energie hat, von nervösen Frickeln bis zum esoterischen Wasserschöpfen reicht, und stets absolut im Dienste der organischen Gesamt-Ästhetik steht) und Multi-Instrumentalist/Musical Director Bergur Porisson beobachtet man einen astralen Funghi-Delirium, bevölkert von skurrilen Animationen, einem andersweltartigen Bühnenbild (das wohl für alle rechtsseitig der Halle Sitzenden auch suboptimale Facetten offenbarte, wenn sich Björk zum Singen in eine Art kokonartiges Echokammer-Haus in der Ecke der Bühne zurückzieht) und von Vivienne Westwood eingekleideten Darstellern hinter einer stimmlich fulminanten 57 jährigen (daran ändert auch der eh okaye, aber viel zu laut daherkommende Sound nichts), die erst kurz vor dem Ende mit einen knappen „Thank you Vienna!“ die Distanz kappt, bei der Vorstellungsrunde im Zugabenteil (nach einer den Bruch zur Realität wagenden Videobotschaft von Greta Thunberg samt dem Umzug von dem maskierten Kostüm ins fast Schwan-legendäre weiße Kleid) gar herzlich und ein bisschen nervös wirkt. Und plötzlich ist der dann und wann ein bisschen herrschende Eindruck, in der Rolle des staunenden Beobachters einer anstrengenden Schönheit ein klein wenig außen vor gelassen zu sein, in einer tief verwurzelten Befriedigung verschwunden, die persönlich auch endgültig Frieden mit diesem Utopia schließen lässt.
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© Björk 3
Setlist:
The Gate
Utopia
Arisen My Senses
Ovule
Show Me Forgiveness
Venus As A Boy
Claimstaker
Isobel
Blissing Me
Arpegggio
Victimhood
Fossora / Atopos
Features Creatures
Courtship
Pagan Poetry
Losss
Sue Me
Tabula RasaEncore:
A message by Swedish environmental activist Greta Thunberg
Mycelia
Future Forever
Notget
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