Billy Talent – Crisis of Faith

von am 25. Januar 2022 in Album

Billy Talent – Crisis of Faith

Die längste Wartezeit (sofern nach der Bankrotterklärung Afraid of Heights vor sechs Jahren wirklich jemand aktiv auf neues Billy Talent-Material gewartet hat?) zwischen zwei Alben der Kanadier ist freilich relativ – so lange wie sich die Teaser-Phase von Crisis of Faith bereits hinzieht.

Auch weil ein Gutteil der nur 37 Minuten des sechsten Billy Talent-Langspieler schon (lange) vorab bekannt war, bietet Crisis of Faith nur ein überschaubares Maß an Überraschungen. Zumindest dass der starke Opener Forgiveness I + II ein für den restlichen Verlauf leider folgenloser Ausflug in die Ambition sein würde, ließ sich erahnen – es ist trotzdem absurd, von Prog und Tool zu fantasieren, aufgrund dieser zwei eigentlich ziemlich separat existierenden, mit klarer Trennlinie miteinander zusammengefügten Einzelsongs (ein knackig-quirliger Smasher mit absolutem Ohrwurm-Potenzial und ein balladesker Saxofon-Schmeichler, der primär ästhetisch aufhorchen lässt).
Schon hier gelingt Billy Talent jedoch mehr, als dass liegen gelassenes Potential das Hauptaugenmerk wäre  – was erfreulicherweise auch (in einer über den niedrigen Erwartungen liegenden Hinsicht zumindest) auf das nachfolgende Material der Platte zutrifft.

I Beg To Differ (This Will Get Better) und vor allem Reckless Paradise sind zuverlässige Trademark-Hits (die so freilich weniger unbedingt und hartnäckig catchy sind, als die wirklichen Killersingles der Band – aber effektiver zündend, als nahezu alle Singles seit knapp eineinhalb Jahrzehnten) sowie wohl zukünftige Setlist-Fixstarter. End of Me überzeugt als rundum netter, schmissiger Schulterschluss mit Weezer-Boss Rivers und One Less Problem funktioniert im Happy-Modus trotz Animations-„U-a-I-ei-O“-Vorschlaghammer sehr unterhaltsam, bevor das niedliche For You eine lockere Gelöstheit im demonstrativen Optimismus der Platte zeigt.
Diese grundlegende Unangestrengtheit ist es auch, die leidlicher inspirierte Passagen (eines streng genommen zu glatt laufenden und trotzdem ohne homogenen Fluss auskommenden Sammelsuriums aus sehr okayen Standards) trägt, obwohl die zu bisslose Pop-Produktion stets an Durchschlagskraft kostet: Ein Signatur Song wie Reactor macht an sich beispielsweise nichts falsch (wenngleich der Chorus exemplarisch bis zum Erbrechen wiederholt wird) – klingt aber einfach zu zwanglos und ohne angreifenden Druck inszeniert.

Ärgerlicher als die Tatsache, dass das unentschlossen in seiner Ausrichtung wirkende Crisis of Faith sich oftmals wirklich nicht zutraut über ein gelungenes Routineprogramm hinauszuwachsen, sind allerdings einige (die Untiefen von Louder Than the DJ  glücklicherweise nicht neu vermessene) Beinahe-Totalausfälle, die die Wahrnehmung dieses Comebacks im schwachen Mittelteil unnötig trüben: Das tranige The Wolf wird pathetisch mit kitschigen Streichern zugekleistert, das Punkrock-Gaspedal Judged ist einfach nur eindimensional-uninspiriert und der Singalong-Refrain von Hanging Out with All the Wrong People schunkelt die Nerven bis zur Weißglut wund.
Drei gelungene Songs zum Einstieg und drei ebensolche zum Abschied machen Crisis of Faith dennoch zu einem in Summe gelungenen Werk, dass die Wartezeit relativ ordentlich, weil kurzweilig entlohnend aufwiegt – was so schon im positiven Sinne eine Überrschung darstellt.

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