Billy Strings – Highway Prayers
Drei Jahre nach dem deklarierten Meisterstück Renewal begibt sich Bluegrass-Meister Billy Strings mit seinem vierten Soloalbum Highway Prayers auf einen betont ungezwungenen und lockeren Roadtrip.
Die jüngst gestartete Live-Serie von William Apostol gab keinen adäquaten Hinweis auf die Ausprägung seiner folgenden Studio-Aktivitäten. Sie ist, wie sich nun zeigt, eher ein aus den Archiven geholtes Austoben, ein Nebenventil für das Verlangen, die impulsive, spontane und überbordende Live-Energie von Strings auf Tour auf einer separaten Bühne einzufangen.
Mit superben, quickfidelen Standards wie Leaning on a Travelin‘ Song, In the Clear, Cabin Song, Gone a Long Time („Jesus took the water and turnеd it into wine/ Me I take them pretty girls, and try to make ‚em mine“) oder Happy Hollow als vor Spielwitz und tollen Solos unangestrengt strotzendes Schaulaufen und Rückgrat, ist Highway Prayers auch angesichts des bereits ziemlich klassisch angelegten Kooperationsalbums Me/And/Dad im Rückspiegel über weite Strecken eigentlich überraschend traditionell ausgefallen. Zumindest relativ – wenn man bedenkt, was Billy und seine Kumpels live in Sachen Jam-Exzessen von der Leine lassen.
Nachzuhören ist das gerade in den rein instrumentalen Tracks der Platte als Indikatoren. In Escanaba, das im Studio symptomatisch auf unter 5 Minuten Spielzeit gebändigt wurde, während sich Malfunction Junction gleichzeitig ewig Zeit nimmt, um in Gang zu kommen, Flamenco und Funk angrinst, aber letztlich dennoch so kompakt auf den Punkt findet (wobei die Mandoline von Jarrod Walker gerne das Steuer übernimmt) oder der wunderschön gefühlvollen Intimität Seney Stretch (die vielleicht eine Spur zu lang, aber nicht ausufernd geraten ist).
Zum Vergleich: Highway Prayers dauert mit 74 Minuten Gesamtspielzeit vier Minuten länger als Renewal, hat aber mit insgesamt 20 Songs auch vier Nummern mehr auf der Tracklist stehen.
Und dennoch ist Billy Strings trotz dieser Material-Fülle wohl kurzweiliger unterwegs denn je. Ganz so, wie es die simpel gestrickte, aber durch seine windschlüpfrig nach vorne gehende Art die aufs Gaspedal drückende Attitüde der Platte vorwegnehmende Leadsingle Leadfoot es versprochen hat.
Weil der 31 jährige sein abwechslungsreichstes und vielseitigstes Album aufgenommen hat. Das beginnt damit, dass Strings in Sachen Songwriting-Synergie seinen Kumpels – etwa Thomm Jutz, Aaron Allen, Jon Weisberger, Shawn Camp oder Walker – ausgiebig vertraut und immer wieder neue Schwerpunkte (wie beispielsweise Maultrommel und Mundharmonika in It Ain’t Before) im gängigen Schema setzt.
Manchmal genügt es da schon, wenn Highway Prayers einfach das Tempo drosselt und einem förmlich das Herz aufgehen lässt: das gefühlvolle Don’t Be Calling Me (At 4Am) ist schlicht zeitlos schön, Be Your Man ein seltener Lovesong mit Piano-Akzentuierung und das bedächtige My Alice könnte ein aus der Zeit gefallener Evergreen sein.
Und dann gibt es Szenen, die man so noch nie von Strings gehört zu haben meint. Das entspannt zu hippiesken Grateful Dead schippernde Gild the Lily etwa, oder die Western-Adaption Seven Weeks in County. Das zweiteilige Stratosphere Blues / I Believe in You gönnt sich als Einstieg ausnahmsweise einen psychedelischen Part und gleitet dann ebenso progressiv wie sanft in einen Fleet Foxes-Folk mit wunderschön-subtilen Streicher-Arrangements, derweil das sparsame Catch and Release kurz und bündig im Alleingang zu Johnny Cash und dem Country schielt. Am skurrilsten ist aber sicher Morbud4Me, das sich aus einem Feuerzeug und der Bong-Inhalation einen Beat für den schamanenhaften Kiffer-Klischee-Gospel bastelt, in seiner spaßigen Kreativität aber dennoch nicht aus dem so kohärenten Gesamtwerk fällt.
Ein bisschen Saurauslassen muss für den frischgebackenen Vater eben auch noch drinnen sein. Zumal das ideal zum unmittelbar unterhaltsamen, weniger Wert auf einen zu erarbeitenden Tiefgang legenden Party-Charakter einer Platte passt, die ohne viel Aufstand sofort auf Heavy Rotation läuft und die extrem hohen Ansprüche an Billy Strings so nonchalant vorbeicruisend erfüllt, dass das Gesamtgewicht diesmal ruhig weniger überragend ausgefallen sein darf und die Amplituden der Highlights im grundlegend enorm hohen Niveau überschaubar bleiben.
Wobei: Bevor Richard Petty als Acapella-Abspann das Gemeinschaftsgefühl der Platte jenseits der technischen Virtuosität seiner Instrumentalisten auf ein verdientes Podest hebt, gibt es mit The Beginning of the End eben schon noch einen grandiosen, vorgezogenen Abschied als superbe Schleife um eine ausfallfreie Stafette an Bluesgrass-Hochkaräternder, der ein bisschen sentimental die Gänsehaut auspackt und unter Garantie (nicht nur am Ende der kommenden Setlisten) ein zukünftiger Klassiker ist.
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