Bilderbuch – Mea Culpa
Bilderbuch überraschen zuerst aus dem Nichts kommend mit der freudigen Nachricht von gleich zwei neuen Studioalben – und perfektionieren über das vorauseilende Mea Culpa dann aber vor allem den Troll-Faktor, den bereits das von dezidierter Verweigerungshaltung befeuerte Magic Life prägte. Der erste Teil des Doppelschlages plätschert ohne Stress jedenfalls zwanglos durch (ja,ja) Mumblecore-Songskizzen, R&b-Fragmente und spartanische Hypnagogic Pop-Ahnungen.
Wer Bilderbuch für deren herausragende Instant-Überhits der Marke OM, Maschin oder Bungalow am Rockzipfel hängt, wird mit dem jedwede Erwartungshaltungen hemmungslos-genüsslich gegen die Wand fahrende Mea Culpa wohl noch größere Probleme haben, als mit dem bereits keineswegs in der Schick Schock’schen-Komfortzone verweilen wollenden Magic Life. Denn auch wenn sich mit der trappig-halluzinogen dem Funk und Frank Ocean hinterhergroovenden Ad-lib-Lavalampe Sandwishes sowie dem mit hibbeligen Gitarren und massiven Synthiewänden brutzelnden Stoikum Memory Card doch zwei enorm hartnäckig über die Hintertür kommend Ohrwürmer herauskristallisieren, ist Mea Culpa keineswegs an derartig massenkompatiblen Aushängeschildern des Indiekonsens interessiert.
Stattdessen versucht sich das toll produzierte, aufgeräumte Carpe Diem viel mehr im formlosen Kondensieren kontrastfreier Melodien und nonchalant in den Klangraum geworfener Hooks, die sich phasenweise auch ganz bewusst wie charakteristisch klingende, aber doch relativ spartanisch gebliebene, ziellose Demo-Fassungen aus einem Proberaum voller bewustseinsverändernder Substanzen jeglicher Aggregatzustände anfühlen: „Ich glaube an Speed/ Ich glaube an Weed/ ich glaub‘ mir wird schlecht!“
Kein Unvermögen also, sondern das deklariert im Dienst der übergreifend transportierten Stimmung stehende Bestreben, die Form um den Inhalt herum in Watte gepackt aufzulösen: Mea Culpa funktioniert im Bilderbuch-Kontext schon beinahe wie eine Ambient-Platte, indem sie das Spektrum weiter hin zu R&B-Mustern schiebt und von knackigen Rock-Strukturen weitestgehend ablässt, den allgemeinen Fluss über alles stellt. Dass das ohnedies bereits ziemlich unaufgeregte, aber für die hier herrschenden Parameter viel zu griffige Eine Nacht in Manila auf der Platte keinen Platz fand, darf man insofern wohl als ebenso symptomatisch verstehen, wie die Vermutung, dass potentielle Smash-Singles dann ohnedies erst wieder auf dem folgenden [amazon_link id=“B07KLPTWTF“ target=“_blank“ ]Vernissage My Heart[/amazon_link] interessant werden könnten.
So gefallen sich Bilderbuch nach einem bärenstarken Opener in der ersten Hälfte von Mea Culpa als Reizfiguren, die die Geduld ihrer Fans auf die Probe stellen. Taxi Taxi tändelt betont plätschernd und ohne jedwede Spannungen über traumdeliriante 80er Keyboardflächen, selbst die Brian May-Gitarren des heimlichen Helden Michael Krammer und quirlige Streicheransätze wollen nicht mehr, als im Hall wabbern. Noch weniger konkret gibt sich das gefinkelt pumpende Lounge 2.0, das wie eine mit Sedativum niedergedrückte ADHS-Skizze über einem Loop samt minimalistischem Beat plätschert, zu dem die Band spontan jazzig frickelt. Emotion will dann ohnedies gar nicht vorgaukeln mehr zu sein, als eine Interlude-Klangskizze, in der Synthies und Sequencer aneinander vorbeijammen, ohne zu einem Punkt zu finden.
Und sicher: Außerhalb des angestammten Plattengefüges wird man diese Songs mit ihrem höchstens subversiven Pfeffer kaum jemals hören. Im Zusammenhang der locker aus dem Handgelenk purzelnden Homogenität von Mea Culpa funktionieren sie jedoch durchwegs anziehend und auf unverbindliche Art fesselnd, sogar ein bisschen faszinierend, tranceförmig – und gewissermaßen sogar unspektakulärer, aber schlüssiger als das Material auf Magic Life.
Zudem nimmt Mea Culpa im weiteren Verlauf ohnedies noch ein bisschen deutlicher an Fahrt auf, tauscht zumindest den drogenvernebelten Dämmerzustand einer keineswegs entnervenden Lethargie gegen mehr Stringenz in der Entspannung. Nachzuhören vor allem im leger fimmernden Megaplex oder dem fast schon als luftiger Indierock durchgehenden Checkpoint (Nie Game Over) – einer melancholischen Aufbruchstimmung, die im Grunde den idealen Schlußpunkt markiert hätte.
Allerdings gibt es mit Aloe Vera noch eine unfokussierte Meditation, in der Krammer glänzen darf und der Singalong im Weichspüler bis zum Vocoder schippert. Passend zum lasziven Yacht-Modus des relaxten Mein Herz Bricht das geschmeidige Dub-Versatzstücke mit einem verquereren Solo zusammenbringt – und wie so vieles hier herrlich desorientiert und ratlos entlässt. Dass Mea Culpa sich dabei paradoxerweise mehr im Gegensatz zu seinem Vorgänger mehr als Album-Album und trotzdem vor allem als kompromissloser Appetithappen und eklektisches Zeitgeist-Dokument anfühlt, der polarisierende Reaktionen hervorrufen will, passt da nur zu stimmig ins Bild. Trotzdem wäre es gar nicht so unfein, wenn sich der Bilderbuch’sche Doppelschlag in qualitativer Hinsicht tatsächlich als Äquivalent zu Endless und Blonde entpuppen würde.
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