Bilderbuch – Gelb ist das Feld
Vielleicht ist Gelb ist das Feld ist mit knapp einer Stunde Spielzeit eine Spur zu lange ausgefallen, und hat unter seinen 14 Tracks zumindest auf den ersten Blick auch keine erschlagenden Konsen-Über-Hits parat. Gerade als Ganzes bündeln Bilderbuch so aber auch sicherlich das hippe Sommeralbum 2022.
Mindestens. Denn letztendlich ist alles eine Frage der Relation und Perspektive: Tatsächlich schwächelt Gelb ist das Feld einerseits zu keinem Zeitpunkt seiner elaborierten Spielzeit wirklich – rund um den Mittelteil der Platte sind einzelne Tracks wie das mit vorsichtig trappenden Beat unterspülte Daydrinking, Schwarzes Karma (hätten Wanda aus der vagen Evergreen-Attitüde des tollen Refrains einen prolligen Gassenhauer destillieren können, während Bilderbuch regelrecht subversiv – oder halt ein bisschen zu schwammig – zu Werke gehen?) und der zwanglos dösende Filler Klima (der sich im Finale seiner angenehmen Berieselung unter dem schönem Sternenhimmel eines Endorphin-Sonnenschein dreht) nur weniger griffig und markant nachhallend als das Gros des Albums.
Und andererseits sind Songs wie das mit extrem catchy Hook daherkommende Nahuel Huapi (das in etwa so klingt, als hätten Real Estate den Bass von Every Breath You Take auf einer Yacht gefunden) oder der nonchalante Instant-Ohrwurm Baby, dass du es weißt nur insofern keine Hits, wenn man den Killer-Maßstab hernimmt, den Bilderbuch selbst mit den Singles von Schick Schock (2015) sowie Magic Life (2017) in absurde Höhen getrieben haben.
Konkret will irgendwann eigentlich sogar keiner der Songs von Gelb ist das Feld wieder aus den Gehörgängen. Ein bisschen Entgegenkommen ist dafür aber womöglich doch von Nöten, bei diesen unendlich locker gehaltenen Zügeln und lässigen neuen Perspektiven.
Zwar schließt die Platte – relaxter und unaufgeregter als jedes bisherige Bilderbuch-Album – auch eine Metamorphose von Tendenzen ab, die sich auf den beiden (gar nicht unbedingt orientierungslosen, aber doch sehr unausgegorenen plätschernden) Vorgängeralben Mea Culpa und Vernissage My Heart erahnen ließen, doch greift dieser Verortung zu kurz: Die Eklektiker aus Kremsmünster haben sich für ihren siebten Langspieler wieder einmal ein ganzes Stück weit neu erfunden – nicht so radikal wie nach Die Pest im Piemont, sondern diesmal Trademarks eher geschmeidig dösend in ein breiteres Spektrum mit klar konturiertem Rahmen setzend. Butterweich fließen die stilistischen Einflüsse in einem Amalgam zusammen, das keinen Unterschied zwischen Heartland Rock, Psychedelic Pop oder Chill Out-Dance macht, ebenso selbstverständlich an Referenzen wie Steely Dan, Pink Floyd, The War on Drugs, Tame Inpala oder Phoenix und Roxette denken lässt, derweil Gigolo Maurice Ernst zwischen Deutsch und Englisch so selbstverständlich pendelt, wie seit Falco höchstens Ja, Panik.
So passieren einige der besten Bilderbuch-Songs überhaupt fast wie nebenbei, obwohl man jedem einzelnen die akribische Detailverliebtheit anhört, mit denen sie aus den Ärmeln geschüttelt wurden. Gleich das herausragende Bergauf klingt etwa so beschwingt, als würden MGMT einen The Smiths-Song im milden Sonnenschein knödeln, so entspannt nach vorne gehend: luftig schwerelos und beschwingt unangestrengt, extrem eingängig und verträumt, bunt und warm, psychedelisch tänzelnd, sich fast mit Jam-Charakter gehen lassend, bis hinten raus jazzig Lounge-Tröten flanieren. For Rent agiert sogar noch entspannter, genießt die „selbe Sonne im neuen Gesicht“, die Synthies funkeln in die 80er und die Gitarren heulen zur Jangle-Zwanglosigkeit. Dates zeigt vor dem inneren Auge Adam Granduciel in der milden Neon Disco, wie er die Erinnerung an die Nostalgie als sanfter Glücksgefühl sucht und der rauchige Pre-Chorus Rod Steward und Don Henley zusammenbringt. Im sehr okayen Blütenstaub perlen die Gitarren wie Math-Stimulanzien somnambul dösend, La Pampa implementiert Handclaps in einen tropikal-groovenden Schwofer, der als mäandernder Eskapismus heult wie tongewordener Urlaub jenseits der Reverie Lagoon.
Das grandiose Ab und Auf assimiliert sedativen Chili-Billy-Funk mit Prince-Fistelstimme und legt sich im geschmeidigen Drive zurück, bevor ausgerechnet der abschließende Titelsong nonchalant unspektakulär galoppiert.
Nur I’m Not Gonna Lie (ausnahmsweise fetziger bratend mit ordentlich Country-Slide) und (das elektrifizierend stapfende) Zwischen deiner und meiner Welt brechen den Ruhepuls-Flow der hedonistischen Platte dezent auf, ohne deswegen als Fremdkörpern auf dem nahe der Ideallinie schipperden Freizeitalbum zu agieren.
Denn dass wir es hier mit dem potentiellen Sommerrsoundtrack des Jahres zu tun haben, kann abschließend nur wiederholt werden – muß aber um ein paar Fakten ergänzt werden: Gelb ist das Feld verzichtet auf die zwischen Genie und Füllmaterial eskalierenden Amplituden aller bisherigen Bandwerke, pendelt das allgemeine Niveau ausfallfrei so hoch wie nie ein und ist somit schlicht das bisher kompletteste Album von Bilderbuch, womöglich in Summe ihr grundsätzlich bisher bestes gar.
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