BIG|BRAVE – Nature Morte
Die zweite Soloplatte von Mat Ball sowie Robin Watties Kooperationen mit Thou und The Lord, vor allem aber Leaving None But Small Birds haben zwar keinen Paradigmenwechsel im Kosmos von BIG|BRAVE erzwungen, verändern die ästhetischen Schattierungen von Nature Morte jedoch auf subversive Weise.
Am ehesten ist dies erkennbar, wenn das kanadischen Trios seinen immer noch unverkennbaren Sound und MO auf dezent zu Perspektiven führt, die assoziativ die (Western-)Prärien von Earth im Kopfkino auftauchen lassen, obgleich BIG|BRAVE zum Einstieg quasi direkt festhalten zu scheinen wollen, dass selbst althergebracht erprobte Formen diesmal wieder frischer gelingen, als auf dem etwas unterwältigendenden (und insofern auch nicht unbedingt glücklich betitelten) Vorgänger Vital vor zwei Jahren: Carvers, Farriers and Knaves beginnt in medias res, pocht über atonal-disharmonischen Wucherungen abrasiver Gitarren, liebäugelt mit der Atmosphäre des cinematographischen Noise und artikuliert auf verzweifelt auslaugende Weise ein faszinierendes Unwohlsein mit katatonischem Balsam, warm umarmend und ungemütlich aufwühlend, auf brachiale Weise sanft. Das emotionale Spektrum geht schlüssig auf wie vielleicht noch nie, die Kontraste sorgen für Dynamik.
Die so vertraut verstörende Anmut und Grazie gewinnt auch durch den Sound von Produzent Seth Manchester, während sich die Komposition an sich in typischer BIG|BRAVE-Manier bewegt, zusammenzieht und streckt, sich sich wie ein stoischer Wurm oder dystopische Ziehharmonika faltet, zur Mitte hin aufbäumt, stampft und seine Verzweiflung immer wütender hinausschreiend: der Organismus wandelt sich geduldig im repetitiven Minimalismus, maximalen Volumen und systematischen Druck, der BIG|BRAVE-Stücke stets soviel kurzweiliger erscheinen lässt, als es die Spielzeit eigentlich bedingen würde.
Und dann pflegt die Band eben die Facetten in der Zuverlässigkeit. The One Who Bornes a Weary Load schrammt erst wie veritabler Feedback-Rock der Swans, kippt dann jedoch in eine Askese, die wie ein ambientes Western-Skelett die Welt von Cormac McCarthy und Warren Ellis in ein verletzliches Sehnen nach der fast lethargischen Abendröte apokalyptisches sinnieren lässt, den Fatalismus kakophonisch aufreibend.
My Hope Renders Me a Fool ist eine melancholisch schlummernde Drone-Urgewalt a la Sunn O))), die sich in bedächtig schrammende Americana-Erinnerung auflöst, und das so friedliche wie bittersüße Duke Garwood’eske Windspiel The Fable of Subjugation verletzlich singend über dem sich langsam auftuenden Abgrund in Einsamkeit wehklagen lässt – bis die massiven Drums von Tasy Hudson zu poltern beginnen, den Song zum kasteienden Husarenritt aufschwingen und beruhigende Kontemplation in der Unerschütterlichkeit der Wiederholung finden. A Parable of the Trusting ist ein betont düsteres Aufbegehren der dröhnenden Unterwelt, bedächtig vor im Hintergrund rasselndem Stoizismus angeschlagen, die Wattie singt in der Zeitlupe einer alternative Griffigkeit, findet in den umwälzenden Wellengang einer Post Industrial-Welt, die ihre Wunden doomig leckt.
Das formoffene Dark Folk-Geplänkel The Ten of Swords ist danach ein stimmungsvoller Epilog, der die Atmosphäre von Nature Morte ebenso schön beschließt, wie er exemplarisch für die unscheinbare, aber wirksame Evolution der Band steht: BIG|BRAVE haben ihren Sound im Detail adaptiert und eingefahrenen Mustern so eine adäquate Impuls-Kur verpasst – und sich vielleicht sogar ihr bisher bestes Album abgerungen.
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