Big Thief – U.F.O.F.

von am 13. Mai 2019 in Album

Big Thief – U.F.O.F.

Big Thief haben zwar bereits auf Capacity verstanden, dass die Stärken ihres zarten Folkpop keineswegs bei den subtilen rockigen Gewichtungen liegen. Erst U.F.O.F. bringt diese Erkenntnis jedoch nahe zur Formvollendung.

Die Albenpause seit dem Big Thief-Zweitwerk 2017 hat ja gerade Adrianne Lenker für Soloausflüge, aber auch das Quartett selbst eine kleine Neuausrichtung über die freie Wide Winged Bird-EP genutzt. Die Grenzen zwischen Einzelgängen der Sängerin und dem Output ihrer Band werden gefühlt aber ohnedies immer fliesender: U.F.O.F ist auch von Abysskiss lernend (und die Songs From and Terminal Paradise gleich adaptierend) noch ruhiger ausgefallen als seine beiden Vorgänger, agiert vollkommen bei sich selbst aus seiner Mitte heraus und hat dort wundervoll stille, betörend-verschwimmende Kompositionen gefunden: „The raw material came quickly. Some songs were written only hours before recording and stretched out instantly, first take, vocals and all.
Entspannt umspielen hier zart gepickte Folk-Gitarren behutsam tänzelnde, entschleunigt-rumpelnde Schlagzeugmuster ohne Zwang, bleiben stets versöhnlich und weich, fast schon zerbrechlich zwischen Dreampop und Slowcore pendelnd. Über 43 Minuten klingt U.F.O.F. (dem zusätzlich angehängten „Friend“ im irgendwo versammelten adäquaten Titel folgend) wie die durch eine glückliche Fügung eingefangene mystische Fantasie der 70er; solcherart Kleinode versammelnd, die auf den ersten Blick unspektakulär liebenswert-nebensächlich und auf den fünften geradezu überwältigend subversiv emotional wirken können.

Making friends with the unknown… All my songs are about this“ sagt Lenker, quietscht deswegen manchmal gar Richtung Joanna Newsom. Um die nötige Grundlage dafür aufzubauen, bedienen Big Thief jedoch nahezu ausnahmslos ihr authentisches Gespür für verführerische Melodien, wieder unkonkret-universeller interpretiertbare Texte und das extrem gefühlvoll nuancierte, zutiefst intime Zusammenspiel aller Bandmitglieder, das kaum noch auf den kantigen Kontrast aus Laut und Leise setzt.
Nur selten fällt die fast schon elegisch dösende Platte aus ihrer ätherisch-anschmiegsamen Gangart, lässt unorthodoxe kleine Ideen herausplatzen. Etwa, wenn die kontemplativ aufwühlende Wohlfühlzone Contact mit melancholischer Abgründigkeit an Bord holt, hinten raus aber auf einmal hystrisch zu schreien beginnt. Oder wenn die Gitarren in Jenni latent heavier bratzen, die zur Transzendenz schmelzenden Vocals leicht psychedelisch über den Weichzeichner hallen und Strange die Rhythmusarbeit ein wenig physischer zugreifend in dem Vordergrund lässt. Was übrigens alles auch als Spiegel der intuitiven Aufnahmesessions gesehen werden kann, die eine gewisse Spontanität als Kernelement des Songwritings etablieren.

Wo die vorherigen Alben insofern gerne wie um herausragende Einzelsongs arrangierte Werke wirkten, ist U.F.O.F. nun in sich geschlossener gewachsen und qualitativ konstanter. Zwar geben sich neben genau genommen immer noch überragenden Highlights (wie dem subtil über die Hintertür kommenden, immer bestimmter werdenden Ohrwurm Cattails, der mit einem sogar noch wundervollerem Refrain ausgestatte Hit Century oder das sich wie tröstender Morgendtau in den kaum greifbaren Chor legende From) gerade zu Beginn die stärksten Nummern die Klinke in die Hand, während die Platte hinten raus das Niveau nicht gänzlich halten kann, ohne deswegen das Ganze abzuwerten: Das dösende Betsy erweist sich beispielsweise schon als zu zwanglos, der friedlich in Zeitlupe drehende Schwofer Terminal Paradise bleibt für sich selbst stehend ein wenig unerfüllend in der Luft hängend und Magic Dealer entlässt als unspektakuläres Abspann-Kleinod stimmig, aber irgendwo auch zu vergänglich.
Selbst diese relativen Schwachstellen funktionieren jedoch in der Geschlossenheit des Kontextes, der erzeugten Stimmung und einlullenden Atmosphäre ansatzlos. Eben deswegen wirken noch bessere Stücke wie der behutsam stacksende Mega-Titelsong oder das ohne Überschwänglichkeit jubilierende Orange sogar wie vergessene Juwelen aus der Zeitkapsel, ein Open Desert gar wie ein andersweltartiges Schlummerlied für eine versöhnlichere Welt. Was man dabei trotz aller umarmender Träumerei kaum übersehen kann ist, dass U.F.O.F. schon im Hier und Jetzt heimlich, still und leise das Herz als wohl bisher größte Konsensplatte des Indie-Jahrganges 2019 neben Titanic Rising erobert.

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