Big Garden – To the Rind
„A Couple of Thous doing Deftones filtered through Hum“. Diese hauseigene Werbung fängt den Charakter von To the Rind, das Debütalbum von Big Garden, zumindest ein gutes Stück weit durchaus adäquat ein.
Thou-Bassist Mitch Wells gebar Big Garden während der Pandemie als Solo-Plattform, um während der Quarantäne eine Projektionsfläche für die eigenen Gedanken und für das Austreiben innerer Dämonen in einer aus den Fugen geratenen Welt zu haben: „Turns out writing songs is a great way to work through some stuff. It doesn’t fix anything, but it sorta lays it all out there.“
Als diese Welt sich dann doch wieder halbwegs in die Angeln zu heben begann, holte Wells seinen Kumpel Matthew Thudium als Gitarrist und Sänger an Bord – weswegen die knapp vierzig Minuten von To the Rind nun natürlich zwangsläufig an Rhea Sylvia und all die Grunge-Momente jenseits der Nirvana-Cover von Thou selbst denken lassen – bevor Big Garden durch den Einstieg von Greg Manson (bass/synth), Ian Paine-Jesam (drums/percussion) und Craig Oubre (guitar/vocals) zum vollwertigen Band-Projekt anwuchs.
So elementar der Humor und das Absurde für Wells auch ist, was man weiß, wenn man Wells auf Instagram folgt, oder auch die zwischen manche Songs des Albums gehängten Studio-Gespräche (nein, keine wirklichen Skits – aber irgendwo wird sich doch eine Unterhaltung einfangen lassen, wenn das Band weiterläuft!) mit Produzent James Whitten hört, so klar ist es auch von der ersten Sekunde an, dass To the Rind an sich keinen ulkigen Nährboden beackert, aber mit der nötigen Ernsthaftigkeit durchaus Spaß an einem wunderbaren „love letter to, and evolution from, the great grungy, gazey, riffy, mathy, and spacey sounds of the past carried through a modernized songwriting approach“ hat, indem die Band eine ständig unterhaltsame Schwere oder eher depressive Leichtigkeit in ihren zugänglichen Eklektizismus injiziert, so dass abstruse Titel wie Pizza Party Baby mühelos neben existentialistischen a la Stars, Planets, Dust Us stehen können, jedoch stets durch eine zugängliche, catchy aus dem Handgelenk geschüttelte Heaviness verbunden, die eher eine bittersüß-optimistische Aufbruchstimmung artikuliert, als sich im Schmerz einzuigeln.
Damit reihen sich Big Garden in eine Art ästhetische 90er-Renaissance mit moderner Inszenierungsdichte ein, der auch Fleshwater oder Cloakroom an vorderster Front einer gefühlt ständig wachsenden Szene frönen.
In dieser, auch wenn sie wohl eher nur in ideeller Form existiert, behauptet sich das Quartett praktisch aus dem Stand – wenn auch weniger durch originelle Individualität, als durch gelungenes Songwriting. Denn tatsächlich ist das Händchen für schmissige Hooks und knackige Melodien hier durchaus erfrischend, To the Rind reiht eine überraschend kurzweilige Stafette an Spacegaze Alternative Rock-Ohrwürmern aneinander, die Anhängern des grundlegenden Sounds, respektive all der auftauchenden assoziativen Referenzen, eine vielleicht nicht unerschöpfliche, aber unmittelbare Freude machen werden.
Da erzeugen gleich Songs wie das mit verzweifelte Flehen im prägnanten 90er Schub eröffnende A Sliced Up Pear, das vor dem progressiven Jam-Abdrehen androgyn eingekochte My Joy / Little Bliss oder das knackig und direkt pratzende Borrowing, Taking hinter der zwangsläufigen Nennung von Hum und nahverwandten Erinnerungen an ein Konglomerat aus Alice In Chains und Spotlights, und ja, auch Placebo oder My Vitriol, während der Gesang von Blackmails Aydo Abay aus einer Parallelwelt stammen könnte.
Durch melancholisches Pumpkins-Schwelgen wie in Memory of the Mountain und dem aggressiver die Hardcore-Zähne fletschenden Crown Shyness entstehen Amplituden in der Homogenität, eilig nach vorne gehende Szenen (Wedding of the Sentry) und verträumt schunkelnde Zurücknahmen mit leicht psychedelisch tänzelnder Ruhe (I’m Scared of the Ocean) erzeugen eine Dynamik, um dem Album keine Gleichförmigkeit angedeihen zu lassen, bevor das Finale mit dem nachdenklicheren Stars, Planets, Dust, Us und dem verspielt mit postrockigen Texturen shoegazenden Tension Loop hymnischer und epochaler angelegt ist, ohne einen wirklich herausragenden Genieblitz zu erzwingen. Gerade in seiner konsistenten Summe ist To the Rind aber eine außergewöhnlich souveräne Vorstellungsrunde, die man mit Genre-Fanbrille und Newcomer-Bonus bewertend durchaus zwischen den Punkten aufrunden kann, weil Big Garden hier insgeheim eine Messlatten-Qualität für Gleichgesinnte vorlegen.
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