Biffy Clyro – The Myth of Happily Ever After

von am 14. November 2021 in Album

Biffy Clyro – The Myth of Happily Ever After

Nicht, dass sich The Myth of the Happily Ever After wirklich auf dem Niveau der ersten vier Biffy-Alben bewegen würde. Aber Simon Neil und die Johnston-Brüder haben hier definitiv dennoch ihr konstant überzeugendstes Album seit (mindestens) Opposites aufgenommen.

Dass man die Hoffnung in das schottische Trio trotz der beiden Schwachstellen Ellipsis und dem als Schwesteralbum für The Myth of the Happily Ever After fungierenden A Celebration of Endings aus dem Vorjahr nicht aufgeben sollte, daran haben in jüngerer Vergangenheit neben etwaigen Coversongs ja vor allem die Highlights von Balance, Not Symmetry erinnert. So richtig daran glauben, dass Biffy Clyro jedoch auf Albumlänge noch einmal die Kurve kriegen würden, wollte man aber insgeheim trotzdem nicht mehr.
Vielleicht sogar die Band selbst nicht. „The fatigue started showin’/ And the doubt could be heard“ singt Simon Neil in Haru Urara, einer sanft und entspannten Pop-Nummer mit großer Geste, die zeigt, wie viel auf The Myth of the Happily Ever After auch der Kompromissbereitschaft dient und dafür die Verbindung zwischen massentauglicher Formatradiokundschaft und alteingesessener Stammklientel findet – in geschmackvoll. Die Band profitiert zu diesem Zeitpunkt der Platte längst davon, unter dem Heimstudio-Sound von Adam Noble unmittelbar mit heavier ausschmückenden Mon the Biff-Signaturen vorgebaut zu haben (also: nicht wirklich mit der herausfordernden Unberechenbarkeit der Phase bis Puzzle arbeitend, sondern diese authentisch imitierend). Dies dankt auch das folgende Unknown Male 01, das zwar mit einem cheesy Electro Beat samt Orgel beginnt, aber, sobald das Trio den breitbeinigen Band-Modus aufdreht, einen kurzen Umweg geht, um nicht zu stromlinienförmig zu agieren. Ein typischer Hit ist das freilich so oder so trotzdem – wenngleich einer, der im Schatten des ersten Albumdrittels steht.

DumDum erwacht da nämlich andächtig als stimmungsvoller Opener, gibt sich zurückgenommen getragen, geht aber standesgemäß immer monumentaler aufplatzend, funkelnd strahlend auf. Zweckmäßig, ohne Gänsehaut – aber vor allem vorwegnehmend, dass der Spannungsbogen des großen Ganzen sehr stimmig und rund geraten ist. Und eine Stafette des Maximums davon, was Biffy vom Stadion in den verschwitzten Club abzuweichen bereit sind.
Das überragend treibende A Hunger in Your Haunt gniedelt wuchtig, himmelstürmend, so absolut hymnisch. Neil kann sich die zu billigen Animations-„Ohohooo“s nicht verkneifen, was jedoch beinahe egal ist, weil wieder der nötige Biss und die Energie packt, eine vertracktere Gangart mit mehr Kanten und Ecken alleine durch die weniger glatte Inszenierung erfolgreich simuliert wird. Dass man sich das nicht wie früher erarbeiten muss und die Halbwertszeit insofern überschaubarer ausfällt, wird zumindest vom Momentum aus epochalen Hooks und Melodien aufgewogen, dessen Silvertablett nun auch wieder in den Hintern treten kann.
Denier eilt so dringlich mit metallischen Gallop und schunkelt als Pop auf Speed, die wuchtig-massiven Drums unter den ziseliert aufgeriebenen Neon-Synthies in Separate Missions oszillieren dann mit entwaffnend schimmerndem Groove zum Wave-Stadion: Suchtgefahr!

Die intensivste Phase der Platte ist damit (die spätere Wahrnehmung erfolgreich prägend) zwar erledigt, weniger schmissig wird The Myth of the Happily Ever After seine Ohrwürmer allerdings nicht servieren
Die Stakkato-Fanfaren von Witch’s Cup jubilieren schließlich in die Arena und setzen als Kontrast eine introspektive, niedlich zappelnde Nonchalance samt Mitsing-Chören ein, am Ende verzieren bräsige Bläser gar eine große Parade. Holy Water schwoft als obligatorische Acoustic-Solo-Ballade erhebend, trägt nicht zu dick auf, balanciert Kitsch und Schmalz mit Bodenständigkeit, wählt zumeist sogar eher den Schritt zurück, wird harmlos und effektiv nach Hause gespielt und bekommt zuletzt ein paar Stakkato-Verzierungen für den Oldschool-Effekt, muß sich dafür jedoch keineswegs erzwungen verbiegen. Viel eher sind das allesamt symptomatische Charaktermerkmale der ausfallfreien Platte, wie Errors in the History of God etwa eine selbstreferentielle Nummer-Sicher-Single im besten Sinne geworden ist, oder das ruhige Existed mit seinen dezenten Keyboardflächen sphärisch die minimalistische Indietronica-Schiene bedient, nicht sofort zündend: der elektronisch programmierte Beat samt Akustikgitarre irritiert erst, funktioniert dann aber zwanglos. Dass Neil am Ende schreit, ist genau genommen nur ein unverbindliches Zugeständnis – eines allerdings, das es so zuletzt kaum geben hätte können.
Slurpy Slurpy Sleep Sleep betont sogar noch deutlicher alte Tugenden, erinnert mit seinem lange zelebrierten synthetischen Einstieg ein klein wenig an Glitter and Trauma, schafft im aggressiveren Zupacken des Rahmens einen Closers, der ätherisch-angriffslustig von der weihevollen Liebe berichtet und dabei keineswegs so progressiv konzipiert ist, wie es auf den ersten Moment scheint, jedoch auch der Oberflächlichkeit ein Schnippchen schlägt. Die Grenze zwischen Schein und Sein ist hier eben dünn, der Seiltanz darauf macht allerdings endlich wieder durchgängig leidenschaftlichen Spaß. Und die Songs, die es (erst) nicht auf Alben geschafft haben die eigentlich Glanztaten der Gruppe.

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