Beck – Morning Phase
Seachange Revisited: Beck erkundet nach 6 Jahren Mehr-oder-Minder-Auszeit für sein nur langsam zusammengewachsenes zwölftes Studioalbum die betörend elegante Welt seines 2002er Geniestreichs ein zweites Mal.
Der spirituelle Nachfolger zu ‚Seachange‘ also. Als Plattenfirma posaunt man derartig Vollmundiges in der Gewissheit, dass sich kaum jemand nicht gerne an die unsterblichen ‚Lonesome Tears‚, ‚Lost Cause‚ oder ‚Guess I’m Doing Fine‚ erinnert, natürlich nur zu gerne hinaus.
Über ein Jahrzehnt nachdem Beck Hansen mit Produzent Nigel Godrich (und mutmaßlich auch den Platten von Serge Gainsbourg) in den Ocean Way Studios eingeschlossen hatte um ein intimes Breakup-Album von herzerwärmender Direktheit einzuspielen, beendet das gefühlte Dacapo ‚Morning Phase‚ nun als erste von zwei angekündigten Alben die Plattenfirmenlose Zeit der Fokussierung auf Singleveröffentlichungen, Experimente und Kollaborationen.
Auch Beck selbst weiß nur zu gut, dass er sich mit dem treffsicher betitelten ‚Morning Phase‚ einen unverklärten nostalgischen Blick zurück erlaubt hat, und mit zahlreichen bereits auf ‚Sea Change‚ vertretenen Musikern (Smokey Hormel, Joey Waronker, Justin Meldal-Johnsen, Roger Joseph Manning Jr.) eine Platte wachsen hat lassen, die sich vor allem produktionstechnisch absolut klar an das durchaus als zeitloser Klassiker durchgehende Album anlehnt.
Die ätherisch-breiten Unterwasser-Streicherarrangements von Papa David Campbell, die langsam geschlagenen Akustikgitarrenakkorde vor ausgedehnt schwelgenden Harmonien, verträumte Glockenspiele, zurückgelehntes Banjo-gackern und langsam fließenden Pianolinien, eine unaufgeregte Schönheit mit reinen, reverbschwangeren Vocals: man fühlt sich auf ‚Morning Phase‚ unmittelbar zuhause, in den Arm genommen und wohlig umhüllt. Diese Vertrautheit geht sogar soweit, dass Beck ganz ungeniert klare Verbindungen zu ‚Sea Change‚ knüpft und gleich das eröffnende ‚Morning‚ mehr als nur eine vage Erinnerung an ‚The Golden Age‚ darstellt, oder ‚Say Goodbye‚ seine Wurzeln sehr deutlich bei ‚Already Dead‚ schlägt. Doch auch wenn die beiden Alben sich inszenatorisch und atmosphärisch gleichen mögen wie ein Ei dem anderen, weist ‚Morning Phase‚ vom Songwriting und der Stimmung her doch gravierende Unterschiede zu ‚Sea Change‚ auf.
War das 2002er Werk ein vor unheilbarem Liebeskummer darbendes Zuziehen der Vorhänge, ist ‚Morning Phase‚ das melancholische Dösen im Bett eines lichtdurchflutenden Morgens – aber deswegen gar nicht unbedingt weniger einsam. Was damals Niedergeschlagenheit war, ist heute allerdings unendlicher Sanftmut; alleine die beiden Streicher-Instrumentals ‚Cycle‚ und ‚Phase‚ strahlen mehr Hoffnung aus, als ‚Sea Change‚ im Gesamten. Die einzelnen Songs fließen weich ineinander, verweisen auf Nick Drake oder The Byrds, Indie-Folk-Elemente (beispielsweise im großartig eleganten Ohrwurm ‚Turn Away‚) und eine innige Liebe zum Country (etwa im Pedal Steel Durchatmen ‚Blackbird Chain‚ oder dem Neil Young affinen ‚Country Down‚).
Vor allem im Mittelteil der Platte läuft ‚Morning Phase‚ dabei zu absoluten Höchstleistungen auf. Die Vorabsingle ‚Blue Moon‚ („I’m so tired of being alone/These penitent walls are all I’ve known/…/Don’t leave me on my own/ So cut me down to size so I can fit inside/Lies that will divide us both in time„) ist mit seinen Backingchören und Mandolinen ein unheimlich dramatisches Stück Musik, vor allem schüchtern und beschwingt zugleich. Überragend das Doppel aus ‚Wave‚ (eine Streicherelegie hinter Hallwelten, in denen Beck auf den Grund des Ozeans gezogen wird: „Isolation“ bis zur Gänsehaut) und des episch schleichende ‚Unforgiven‚ – ein Tauchgang in die Sehnsucht, in seiner ergreifenden Schwere schlicht einer der besten Songs, die Beck seit langem vorgelegt hat.
‚Morning Phase‚ schunkelt abseits seiner gespannt den Atem anheltenden Höhepunkte derart unaufdringlich dahin, dass man das im ersten Moment durchaus als Beiläufigkeit missinterpretieren könnte. Aber wenn man diesen 48 Minuten etwas vorwerfen will dann allerhöchstens, dass sie an selbst aufgezwungenen Messlatte ‚Sea Change‚ auf schönstmögliche Art scheitert.
„Brace yourself to the morning low/ Night is gone, long way turning/ You’ve waited long enough to know“ singt Beck im erhabenen Closer ‚Waking Light‚ und tatsächlich klingt ‚Morning Phase‚ letztendlich ohnedies weitaus weniger wie die erzwungene Fortsetzung von ‚Sea Change‚, als vielmehr wie die notwendige, friedfertige Aussöhnung mit dem zwölf Jahre alten Emotionsbrocken, das optimistische Gegenstück: „When the memory leaves you/Somewhere you can’t make it home/ When the morning comes to meet you/Open your eyes with waking light„.
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