Beady Eye – BE
Im reaktionären Musikkosmos von Oberproll Liam Gallagher ist ‚BE‚ ein geradezu progressives Werk geworden, dass sich phasenweise weiter hinaus wagt, als beinahe alles, woran der egozentrische Bandleader seit ‚Be Here Now‚ beteiligt war. Einsortieren lässt sich das zweite Beady Eye Album natürlich trotzdem problemlos in jede stiltreue Britpop-Plattensammlung.
Nach dem verhalten aufgenommenen Debütalbum wollen Liam Gallagher und der übrige Oasis-Haufen es dem allmächtigen großen Bruder im zweiten Anlauf beweisen. Dass ‚Different Gear, Still Speeding‚ dabei in Wahrheit weder so schwach war wie vielerorts behauptet, noch ‚Noel Gallagher’s High Flying Birds‚ letztendlich so gut wie allerorts gemacht, spielte im Nachhinein offenbar keine Rolle – der Ehrgeiz der kleinen Gallaghers war geweckt. Und mit David Sitek, seines Zeichens Soundguru der New Yorker Ausnahmeerscheinung TV on The Radio, ein auffällig irritierende Wahl gefallen, wer die Regler von Massenabfertiger Stephen Lillywhite übernehmen sollte. Letztendlich hat sich der im Kontext als wahrscheinlich wirklich mutig zu bezeichnende Schritt ausgezahlt: Sitek kann und will Beady Eye zwar nicht aus den verinnerlichten 1960ern loseisen, ringt der Band aber im Detail einige gravierende Fortschritte ab.
Die fallen zwar nicht immer derart mit der Tür ins Haus, wie es die triumphalen Fanfaren in der Spiritualized-affinen Eröffnung ‚Flick Of The Finger‚ oder die Bläser im Eels-geschulten Brimborium und zweiten Aushängeschild ‚Second Bite of the Apple‚ tun. Öfter artikuliert sich Siteks Einfluss eher in dezenten Spielereien im Hintergrund, langen Outros und weiten Soundflächen, die unter klassisch dirigierten Britrock-Kompositionen zu schweben scheinen und Songs wie das schrammelnde ‚Soul Love‚ oder ‚Soon Come Tomorrow‚ zu sanft in sich verweilenden, beständig treibenden, psychedelisch angehauchten Rocksongs vertiefen. Sitek hat Gallaghers Trademark-Stimme dabei stets weit in den Fokus gestellt, nahezu unbearbeitet liefert der Krawallbruder so die gefühlvollste Leistung seit langer Zeit hinter dem standesgemäß zu hoch eingestellten Mikroständer.
Markantes zu sagen hat Brechstangenreimer Liam dabei naturgemäß selten bis nie: „Get up off your knees my friend/ Promise never to pretend you’re the apple of my eye/ spread your wings and learn to fly“ unterstreicht Aussagen wie „Ich habe noch nie einen Song geschrieben, um irgendwelche Gedanken in Worte zu fassen. Ich schreibe einfach auf, was mir durch den Kopf geht. Das reimt sich dann hoffentlich und lässt sich irgendwie fortsetzen. Es ist mir egal, wovon meine Songs handeln“ mühelos.
Daraus lässt sich natürlich ebenso leicht ein Strick drehen, wie die wenig subtilen ‚Give Peace a Chance‚-Anleihen im Noel-Diss/Friedensangebot ‚Don’t Brother Me‚, das mit weich puslierenden Orgelklängen spacig dahingleitet. Auch dass Songs wie die akustische Ballade ‚Ballroom Figured‚, das shoegazige ‚Start Anew‚, die sosehr nach Oasis klingende Verneigung ‚I’m Just Saying‘ oder die souveräne Riff-Grätsche ‚Face The Crowd‚ für sich genommen wenig grundsätzlich Neues in den Post-Oasis-Kosmos einbringen fällt ‚BE‚ nicht eklatant in den Rücken. Vertiefen Beady Eye im zweiten Anlauf essentielle Tugenden (…) und liefern abseits von markanten Brechern wie ‚The Roller‚ ein weniger auf herausragende Einzelsongs schielendes, als auf das Gesamtwerk achtendes Ganzes ab. Dass sich trotzdem kleine Highlights mit schwächelnden Standarts im Windschatten der Beatles und Stones im souveränen Songwriting abwechseln, sollte niemanden mehr wirklich überraschen. Beady Eye bleiben eben auch aus dem Fenster gelehnt Beady Eye und plump gesagt Oasis weniger Noel. Nur eben in konstant besser, als man ihnen das nach wie vor zuzutrauen neigt. Damit stemmt ‚BE‘ den Britpop Sommer Notfalls auch im Alleingang.
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