Beach House – Depression Cherry
Eine – dezent, aber nichtsdestotrotz – aus dem Kontext fallende, falschen Fährte wie die in konstanter Schieflage walzende Vorabsingle ‚Sparks‚, in der sich Beach House mit Shoegaze-Gitarren und dröhnenden Synthies auf die Spuren von My Bloody Valentine begeben, hätten sich Victoria Legrand und Alex Scall in Hinblick auf das stimmige Gesamtgefüge ihres fünften Studiowerk eventuell verkneifen können.
Hätten sie diesen Weg jedoch konsequenter weiterverfolgt, wäre ‚Depression Cherry‚ allerdings wohl ein weniger vorhersehbares Album geworden. Denn haben die vorab veröffentlichten fünfeinhalb Minuten dieses Herolds durchaus die Frage gestellt, ob man eine derartige Ausdehnung der eigenen Komfortzone ausgerechnet von Beach House überhaupt hören will, führen nun ausgerechnet die restlichen 40 Minuten Spielzeit vor, dass reiner Purismus nach vier sounddeterminierenden Alben auch nicht mehr die Lösung für die Dreampopper sein kann. Weil letzten Endes alles beim Alten bleibt, aber eben nichts mehr besser wird und der Wille zur Weiterentwicklung zugunsten eines klinischen Perfektionierungsversuchs geopfert wird.
Man muss es ‚Depression Cherry‚ dabei durchaus zu Gute halten: ein in sich geschlosseneres, weil durch die Bank qualitätskonstantes Album haben Beach House wohl noch nicht geschrieben. Wo ‚Bloom‚ und die bisherigen Werke des Duos aus Baltimore abseits der herausragenden Highlights auch immer wieder den Hang zu Füllmaterial vorführten, wirkt ‚Depression Cherry‚ nun stufenloser in der Fallhöhe des Songwritings (nach oben wie nach unten) arrangiert. Beach House schenken beinahe jeder Komposition die selbe Sorgfalt im Wachstumsprozess, fokussiert sich in der abermaligen Pflege ihrer Trademarks (zumindest acht der neun neuen Songs lang) auf die Quintessenz, die Wurzeln, der Band.
‚Depression Cherry‚ ist also keine Platte der Extreme geworden, sondern eine Konzentration auf die seit Jahren verwaltete Wohlfühlzone, die im Grunde alles genau so abliefert, wie man es sich von Beach House erwartet und theoretisch wohl auch wünscht. Wenn etwa ‚Levitation‚ sich ätherisch ausbreitet und als Opener weniger zielgerichtet agiert, als vielmehr einen in alle Richtungen offenen Nährboden für die flächigen Keyboardteppiche und pendelnden Gitarren auszustreuen, der soulig wärmende ‚Space Song‚ mit seinem Final Fantasy‚esk dahinlaufenden Sequencer eine schunkelnde Melancholie in kaum greifbarer Trance manifestiert oder ‚PPP‚ nachdenkliche Rezitation, zarte Umarmung und episch aufmachende Geste ist, ja dann machen Beach House an sich wieder nichts falsch – aber scheitern dann diesmal letztendlich doch dadurch, dass ihr Modus Operandi in dieser Gangart auf ‚Depression Cherry‚ eben allzu leicht auszurechnen geworden ist und das Fünftwerk entlang seiner getragenen, repetitiven Melodieführung über weite Strecken wie ein zutiefst generisches Autopilot-Album auf Schienen funktioniert. Dann sind Songs wie ‚Beyond Love‚ zwar schwelgende Beach House-Dreampop-Songs par excellence, treiben aber gleichzeitig müde und ernüchternd rational über altbekanntes Terrain.
Das verträumt lächelnde ’10:37′ oder ‚Wildflower‚ holen so zwar unmittelbar ab, klingen rundum vertraut und auf den Erstkontakt hin bereits liebgewonnen, bringen den Hörer aber nirgendwohin, verlieren sich auf halben Weg in den anvisierten Traumlandschaften im gleichförmigen, formelhaften Soundwattebausch, bevor der in Aussicht gestellte Rausch gar zu abrupt endet. ‚Days of Candy‚ reckt sich dann mit sakraler Anmut sechs Minuten lang einer Julee Cruise-Elegie entgegen, bewegt sich wie die gesamte Platte aber im Grunde keinen Zentimeter vom Fleck, sondern dreht sich mit geschlossenen Augen um sich selbst und muss sich dabei in erster Linie den Vorwurf gefallen lassen, dass Legrand und Scall diese Szenen für das Kopfkino genau so eben schon so oft soviel nachhaltiger und zündender hinbekommen haben.
Es ist in letzter Konsequenz wohl nur folgerichtig, dass vermutlich ebenso viele Fans in ‚Depression Cherry‚ das bisher stärkste Werk von Beach House hören werden, wie es für andere den Knackpunkt in der Discographie darstellen dürfte, in der aus wohliger Schönheit eine allzu vorhersehbar in die Langeweile plätschernde Gefälligkeit werden könnte. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen: Im konstantesten Album der Bandgeschichte, aber dem wohl ersten, das sich mit rundum guten aber kaum grandiosen Einzelsongs nicht nach und nach ins Herz schleicht, sondern eine bisher ungekannte Egalität auf hohem Niveau verströmend im Hintergrund umhertreibt.
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