Beach House – 7
Das Nachjustieren einiger kleinerer und größerer Schrauben im vertrauten Gesamtgefüge genügt, um dringend nötige neue Spannungen zu erzeugen und damit sogar ein Stück weit aus der sich selbst verwaltenden Komfortzone aufzubrechen: Beach House revitalisieren mit 7 ihren Kreise ziehenden Dreampop-Trademarksound.
Es war wohl nicht zuletzt auch Victoria Legrand und Alex Scally selbst bewusst, dass sich nach den soliden – nichtsdestotrotz überzeugenden, aber eben auch eklatante Ermüdungserscheinungen zeigenden – Routinearbeiten Depression Cherry und Thank Your Lucky Stars etwas verändern musste, im langsam aber sicher auf Autopilot laufenden Klangkosmos von Beach House.
Der Mut zum Umbruch ließ sich bereits aufgrund der die Mottenkiste aufräumenden Zäsur B-Sides and Rarities orakeln. Spätestens aber durch den ersten Singlevorboten Lemon Glow zeichnete sich für Album Nummer 7 ein Paradigmenwechsel ab: Zwar war das immer noch der typische Trademarksound des Duos, doch wurde seine kreative Wohlfühlzone von assimilierter Psychedelik unterspült, indem pulsierende Hypno-Synthies wabberten, dezent gesetzte Effekte heulten und einlullende Chöre streichelten. Eine äußerst sanfte Revolution mit Samthandschuhen vielleicht, die den Grundton geschickt umschichtete, ohne angestammte Beach House-Puristen tatsächlich radikal veranlagt zu verstören – aber eine Revolution im Traumland, nichtsdestotrotz.
Angestiftet von Kollaborateur Sonic Boom, alias Ex-Spacemen 3-Raumfahrer Pete Kember, der Langzeitkumpane Chris Coady (wenn auch „not in the traditional sense„) am Produzentenstuhl ersetzte, sowie dem Input von (Nicht-mehr-nur-)Tour-Schlagzeuger James Barone und einem spontaner als bisher praktizierten Aufnahmeprozess (anstelle des üblichen einen langen Studioaufenthaltes entstand die Platte über die Dauer von 11 Monaten in 5 kurzen Sessions) gönnt sich 7 hinter seinem dadurch generell frischer agierenden, beinahe abenteuerlustiger wirkenden Wesen, nun noch einige weitere derart vorsichtig aus dem Fenster gelehnte Szenen.
Dark Spring etwa forciert demonstrativ Shoegaze-Elemente und poltert vergleichsweise energisch voran. Auch wenn alle restlichen, wie in Trance wiegenden Elemente dies zu wattieren versuchen – turbulenter waren die Drums bei Beach House selten. Noch deutlicher wird dies durch den schicken Kontrast, wenn das Duo die Maschinen für das hervorragende Pay No Mind danach runterfährt, surreal und sedativ pendelt, verführerisch anschmiegsam eine Gitarre über den offenen Akkorden zum neu gekauften Distortion-Pedal brädt.
L’Inconnue zerfließt dagegen hallschwanger in einer ätherischen Körperlosigkeit, über die sich modulierte Gitarren legen, pfeift sich dann eines und bremst sich komplett aus, addiert einen maschinellen Beat, der eventuell zu filigran-schüchtern für Portishead wäre. Immer wieder deuten Beach House die dynamische Eruption an, doch eigentlich wird das Szenario nur immer schemenhafter. Auch Dive erkundet konkrete Ambient-Gefilde in schwerer, pulsierender Zeitlupe und bricht zur Hälfte auf, als wären Beach House plötzlich eine massive Rockband, schraubt sich immer dichter zusammen und höher nach oben, Legrand klingt wie eine beschwörender NASA-Computer. Lose Your Smile lüftet die sinistre Stimmung der Platte abermals als Shoegazer Richtung Slowdive durch: Die akustische Gitarre perlt über dem grundlegend üblichen Korsett, aber leichter und lockerer, verleiht der Band eine körperliche Luftigkeit, wie nur selten.
Vor allem im letzten Drittel fügen sich Beach House später zwar wieder deutlicher dem angestammten MO ihrer bisherigen Discografie: Das spacige-distanziert fließende Woo pflegt als netter Füller eine latente 80er-Nostalgie; Das zu abrupt beendete Girl of the Year verleiht der Atmosphäre von Twin Peaks wunderschöne Untertöne; Und die hymnische Elegie Last Ride perlt mit geduldigem Piano dahin, kommt langsam in Fahrt und treibt in verwaschener Größe über den Horizont.
Doch auch in dieser klassischer geprägten Phase zeigt sich: So ssubtil selbst die am wenigsten gravierenden – oder eher: unspektakulärereren – Nuancen dieses evolutionären Modifizierungsprozesses dann auch für sich genommen sein mögen, machen sie gerade in der Summe des runden Gesamtwerks den subversiven Unterschied, um wieder eine neue Faszination in der Vertrautheit der Beach House-Ästhetik entdecken zu können.
Dann findet sich selbst hinter den klassischen Secret of Mana-Loops von Black Car eine ungewohnt physische, martialisch-rhythmische Präsenz, während sich stellare Abgründigkeiten auftun, die sich wie ein freier Fall ohne wahrnehmbares Tempo anfühlen, und in dessen hypnotisch texturierten Struktur man sich verliert. Dann ist das überragende Drunk In LA im Kern seines Wesens vielleicht Malen nach Zahlen. Doch wenn Legrand und Scally hinter Sonic Booms Akkordeon, einer im Untergrund verschwindenden Gitarre und Barones metronomisch den magen ansprechenden Schlagzeugspiel plötzlich einen solch erhebenden Refrain in majestätisch unter die Haut kriechender Cinemascope-Monumentalität aufziehen, der zum Besten gehört, was die beiden je gemacht haben, dann ist das eben auch Ausdruck des einen neuen Hunger transportierenen Songwritings im Speziellen- und im Allgemeinen ein weiteres Mosaikstück, das letztendlich zur spannendsten, individuellsten und gleichzeitig auch in sich schlüssigsten Platte führt, die Beach House seit Teen Dream aufgenommen haben.
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