Baxter Dury, Étienne de Crécy & Delilah Holliday – B.E.D
Treffen sich ein britischer Dandy musikhistorischer Abstammung, ein prominenter Elektro-Producer und ein im anachronistischen Soul heimeliges Riot Grrrl in Paris….Was wie ein schlechter Witz beginnt, entpuppt sich am Ende als amüsant-kurzweiliges Nouvelle Vague-Abenteuer. Und B.E.D in weiterer Folge als schnörkellos auf den Punkt gebrachter Synthpop-Flirt, entschlackt bis auf die Knochen.
Die Kooperation mit dem französischen House-Ass Étienne de Crécy sowie der ansonsten zwischen White Lungs, Bikini Kill, Sleater-Kinney und solo auch Amy Winehouse ablassenden Skinny Girl Diet-Frontfrau Delilah Holliday will nicht als Bandprojekt (sondern: „tryst”) betitelt werden, das keineswegs in herkömmlichen record sessions (sondern: “liaisons”) entstand, darf aber ungeachtet dessen schon als direkte Reaktion von Baxter Dury auf die Herzschmerz-Phase um das 2017er Album Prince of Tears verstanden werden, deren Melancholie er bewusst eine Extraportion nihilistischer Leichtigkeit und Lebenslust entgegenzustellen gedachte: „It ended up being about an experience I had in Paris that I can’t talk about in detail because there are various parties involved.„
Der Soundtrack zu eben diesen hemmungslosen Parties destilliert sich nun in gerade einmal 20 Minuten nahezu formvollendeter Synthpop-Coolness: Das retrofuturistische B.E.D ist pure Unaufgeregtheit, die extrem minimalistisch, aufgeräumt und reduziert inszeniert in der Regel nicht mehr benötigt als fokussiert auf den Punkt groovende Beats und lakonische Ahnungen von Melodien (die gerade in den letzten Phasen einer Nummer auch noch ein paar modulierte Sequencer griffiger flimmernd anschmeißen). Dazu sprechsingt Dury unterkühlt mit unterschwellig sexy in seinen Bann ziehenden Verve, den Refrain verführt im betörenden Einklang eine kaum weniger laszive Holiday – selten tauschen die beiden auch die Rollen, wie in der vergleichsweise dicht texturierten, weil mit ätherischen 80er-Synthie daherkommenden Dreampop-Schmuckstück-Ballade Fly Away.
Das Ergebnis kann man sich in jedem Fall als Schnittmenge aus dem Vermächtnis von Pop-Schwerenöter Serge Gainsbourg sowie der Parquet Courts / Karen O / Daniele Luppi-Zusammenarbeit Milano (ohne jeden Postpunk-Rock-Aspekt) aus der Perspektive der frühen Metronomy vorstellen.
Wo Dury und Holiday dafür so nebensächlich und unbeteiligt wie möglich intonieren, also scheinbar ohne aktives Interesse durch die Songs flanieren, und mit der Präsenz ihrer demonstartiv zur Schau gestellten „Wir dösen frivol unter den Bettlacken„-Langeweile so einnehmend becircen, ist es schon auch sensationell, wie effektiv die Songs dahinter produziert sind, kein Gramm Fett vorweisen – eigentlich nicht einmal Fleisch per se tragen. Aber sie gehen vom zwingend in die Hüften shakenden Tais Tio damit unheimlich präzise dorthin, wo sie hinsollen, sachte wummernd und und pointiert pulsierend, die Dynamik immer wieder neu in Szene setzend: Zu neun charismatischen Hits und Ohrwürmern also, getragen von einem kongenial interagierenden Trio.
Egal ob das säuselnd designte Walk Away oder die entschleunigt-stilisierte, kurzerhand abrupt abgedrehte Tanzfläche How Do You Make Me Feel – jede Nummer hier könnte als Single herhalten. „We‘re just obvious“ rezitiert Dury im kontemplativen Only My Honesty Matters insofern schon symptomatisch und dürfte damit auch das Formatradio in der Welt von Blade Runner mit intelektuellem Sinn für Humor bespielen. In White Coats unterstreicht latenter Funk und ein pumpender Rhythmus das Uptempo-Piano-Keyboard.
Will – und muss – man dem enorm kompakten, in sich geschlossenen B.E.D etwas vorwerfen, dann ist das natürlich seine offensichtliche Kürze – was primär damit zu tun hat, dass das letzte Drittel der Platte seine Songs (mit Ausnahme der traurigen Nachdenklichket I Think) jeweils nur noch in knapp 70 Sekunden anreißt und damit eher wie eine teasernde Skizzensammlung anmutet, die sich auf die letzten Meter mit zu wenig Gewicht verabschiedet. Wenn also Eurostars mit simpler, an Trio geschulter Kinderlied-Melodie den Bariton-Vortrag bietet, dann funktioniert das als Epilog schon, entlässt aber eben auch mit einem unter Wert verkaufenden Gefühl von Flüchtigkeit. Gut also, dass das Suchtpotential davor so weit geschürt wurde, dass man sich von dieser beschnittene Nachhaltigkeit nicht frustrieren zu lassen braucht, sondern sich vollends auf diesen unverfänglichen Flirt einlassen kann.
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