Bat for Lashes – Boys of Summer
Auf der Tour zum fünften Bat for Lashes-Studioalbum gehören neben Natasha Khans Eigenkompositionen nicht nur Interpretation von Kate Bushs This Woman’s Work und Cyndi Laupers I Drove All Night zur regulären Setlist, sondern auch eine Coverversion von Boys of Summer.
Während es die ersten beiden hausfremden Nummern leider nicht zu einer Veröffentlichung unter dem Bat for Lashes-Banner gebracht haben, gibt es nun zumindest den Don Henley-Klassiker als Mitschnitt von Khans ausverkauften Auftritt im EartH in London aus dem November 2019.
Was in diesem Rahmen durchaus überraschen kann, ist, dass die 40 Jährige das ursprüngliche Narrativ des Songs aus der männlichen Perspektive nicht ändert – was man angesichts des Kontextes irgendwo erwarten hätte können, da das betourte Lost Girls ja durchaus als „feminines Pendant“ zum Vampir-Kulttfilm verstanden werden will.
Stilistisch interpretiert Cover-Expertin Khan – man denke nur an ihre allesamt grandiosen Verneigungen vor beispielsweise den Kings of Leon, Bruce Springsteen, The Cure oder Depeche Mode – den Henley-Song jedenfalls weniger dicht an der Originaltreue: Wie eine fragile Erinnerung breitet sich die einleitende Melodie am Piano aus, wird zum tragenden Motiv der Nummer, Khan singt mit aufrechter Haltung und intim, bedächtig legen sich ätherische Synthie-Schichten darüber. Boys of Summer bekommt hier keine Grundierung durch den typischen Beat der Rhythmusmschine, sondern bleibt körperlos und ambient, entschleunigt und räumlich im Äther verhallend. Die Nostalgie, die unerfüllte Liebe und die Vergänglichkeit der Jugend, sie bekommen so eine durchaus andere Perspektive auf die ursprüngliche Melancholie und fügen sich adäquat an die Ästhetik von Lost Girls an.
Allerdings fehlt in dieser Gangart gefühltermaßen auch die Katharsis, die zwingende Leidenschaft von Henley – Khan liefert hier mit brilliantem Ansatz eher eine vergängliche Ahnung davon, was möglich gewesen wäre.
Die restlichen drei Nummern der EP folgen diesem minimalistischen, nicht restlos befriedigenden Weg, erscheinen aber per se weniger essentiell als das Titelstück – und das obwohl Boys of Summer eben vor allem mit dem unstillbaren Wunsch entlässt, eine üppiger instrumentierte Studio-Ausarbeitung serviert zu bekommen.
Desert Man (Piano Version) benötigt seinem Titel folgend nicht mehr als ein paar Tasten und ein mehrstimmiges Arrangement, schiebt die klare Schönheit der Komposition in den Vordergrund, zeigt aber als asketische Variation vor allem, wie meisterhaft die instrumentale Ausschmückung der finalen Studioversion letztendlich dem Songwriting zusätzliche Größe zukommen ließ. Ähnlich verhält es sich beim ebenfalls von Lost Girls stammenden The Hunger (Organ Version), dessen flehende Sehnsucht hier über die federführende Orgel hinausgehend beinahe im Score aufblüht: Subversiver, sphärischer und weniger pointiert als die reguläreStudioversion entwickelt Khan auch hier eine wunderbare Parallelwelt-Version, die man in ihrem verträumten Hang zur Ziellosigkeit wertschätzen kann, ohne das episch pulsierende Original hintanzustellen.
Und Daniel geht als moderner Klassiker ohnedies immer – gerade der exzellenten (Music Box Version), die als Space-Lullaby in körperlicher Grandezza absolut betörend in der Unwirklichkeit transzendiert. In Summe ist die Boys of Summer-EP deswegen auch weniger eine verpasste Chance mit undankbar-unerfüllendem Beigeschmack, als vielmehr eine nette Fußnote für die Komplettisten unter den Anhängern Khans (die übrigens zu den wenigen Musikschaffenden gehört, von denen ein komplettes Cover-Album eine absolut willkommene Geschichte wäre).
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