Bada, Reflector [09.05.2019: Orpheum Extra, Graz]
Knapp zweieinhalb Jahre nach dem grandiosen Gastspiel im Vorprogramm von Michael Gira und seinen Swans macht Anna von Hausswolff wieder im Orpheum Graz Halt. Diesmal unter anderen Vorzeichen im Kreise ihrer neuen Band Bada.
Der Bekanntheitsgrad der Schwedin ist seitdem ja vor allem durch die (Platz 9 in unseren 2018er-Jahrescharts) verzehrenden Großtat Dead Magic immens gestiegen. Dass die erste Tour der noch ohne Tonträger-Veröffentlichung auskommenden Bada deswegen mit „Anna von Hausswolffs neuer Band“ beworben wird, macht durchaus Sinn und stimmt so natürlich auch, kann aber wohl auch falsche Erwartungshaltungen wecken. Hier steht nämlich keineswegs eine profilierte Frontfrau einer restlichen Riege von Musikern vor, die dominant die Ausrichtung vorgäbe.
Tatsächlich ist der Input von von Hausswolff sogar selten bis nie im Mittelpunkt zu finden, selbst die wenigen in das Gesangsmikrofon trillierten Einwürfe stammen nicht von ihr. Der Zusammenschluss mit David Sabel, Gianluca Grasselli, Filip Leyman und Hannes Nilsson ist viel eher als Kollektiv auf Augenhöhe zu verstehen, in dem jedes Element des symbiotischen Ganzen als Rädchen im Getriebe funktioniert. Wenn von Hausswolff im zu weiten Zombie-Shirt und (wie die meisten ihrer Kollegen) mit Merch-Mütze ausgestattet also explizit aus dem Projekt hervorsticht, dann etwa durch ihre Körpergröße, die angesichts der hochgewachsenen Schlackse der Band drumherum noch einmal unterstrichen wird. Oder wenn ihre Mitmusiker sich nach der Show hinter dem (mit sehr fairen Preisen ausgestatteten) Merchstand erst einmal Bier genehmigen, während die 32 Jährige dem organisationstechnisch überforderten Verkäufer sofort zur Hand geht, sich einmal mehr als Freundlichkeit in Person entpuppt – sich aber erst auch überhaupt nicht in der herrschenden Unordnung zurecht findet.
Durchaus sinnbildlich, denn ganz allgemein brauchen Bada ein wenig, um ihr Amalgam aus Drone-Wänden, Avantgarde-Sperenzchen, Noise-Texturen und Ambient-Passagen in Gang zu bringen, den Organismus auf die nötige Betriebstemperatur hochzufahren. Wenn die ersten 13 Minuten des Sets nämlich als mit spacigen Analog-Synthies geschwängertes, mit Bass- und Gitarren-Frequenzen dröhnendes Verstärkermeer brüten, dann ist das plättend dicht, auch massiv im Volumen und nuanciert in den Texturen, aber dennnoch zu unausgegoren. Man fragt sich, wo diese Band mit scheinbar willkürlich gefütterten Charakter hinmöchte, was die übergeordnete Vision ist und das charakteristische Alleinstellungsmerkmal sein könnte.
Fragen, die Bada im weiteren Verlauf weitestgehend beantworten können, indem sie ihren Fingerabdruck immer schlüssiger herausarbeiten und ihre eigene Nische findend sogar bisweilen geniale Momente anbieten. Diese finden vor allem statt, sobald das Quintett seine Genre-Melange mit Rhythmen zu nähren beginnt, quasi die spirituelle Trance der Master Musicians of Bukkake-Psychedelik mit dem betont düster aus dem Metal schimmernden Spektrum des Waste of Space Orchestra färbt, die repetitive Intensivierung zum Mantra erhebt.
Richtig überragend geht dieser Ansatz dann nach rund einer halben Stunde auf. Da konterkarrieren Bada die ernste Konzentration ihrer Heavyness erst mit geradezu obskuren Field Recordings-Einwürfen aus überdrehten Vogelgezwitscher und effektverfremdeten Space-Katzenlauten, bevor sie den absurden Humor-Bruch in ein unmittelbar hereinbrechendes Industrial-Inferno platzen lassen, dessen stoisches Hämmern wie der Herzschlag einer unwahrscheinlich bösen Maschine klingt. Plötzlich entsteht da mit treibenden Beat eine fast tanzbare Hypnose, ein lebendiger Rausch in der klaustrophobisch gehaltenen Schwärze, die nur sparsam in kraftvolle Rot- und Blautöne gesogen wird.
Aus dieser dritten Suite (wenn man die einzelnen Phase im nahtlos ineinander fließenden, ohne Zwischenansagen an- und abschwellenden Ganzen zumindest so katagorisieren will) wird im letzten Viertel der kohärenten Show später noch eine vom Krautrock angetriebene Dringlichkeit, die derart auch Radiohead gefallen dürfte. Zumindest, bise langsam beinahe metallische Riffs über die Dynamik wachsen und sich zu einer potentiellen Tribal-Kakophonie für den Club verbinden. Ein verschlingender Climax, der vom Publikum noch nicht die hemmungslose Hingabe abfordert, zu der Bada wohl im Idealfall bald fähig sein werden, der aber durchaus bereits eine lärmende Katharsis in Aussicht stellt, aufgrund derer man auf die Zukunft der Band aus Göteborg gespannt sein kann.
Zumal Bada mit 55 Minuten Spielzeit durchaus im Bewusstsein spielen, das Momentum nicht zu erschöpfen und eine Kompaktheit ohne Ermüdungserscheinungen an den Tag legen. Trotzdem hat sich der Publukumsraum zu diesem Zeitpunkt bereits ein wenig gelichtet – schätzungsweise sind dann eben nicht wenige Zuschauer primär erschienen, um der Albumrelease-Show der Institution und Lokalmatadoren Reflector beizuwohnen, die hier nur nominell den Supportact geben.
Deren neues Album Turn ist schließlich wieder ein ziemlich heftiger Brocken Rock par excellence geworden – der live aber eben noch einmal um einen Gutteil zwingender in die Mangel nimmt, als auf Tonträger. Einnehmend und prägend um Striggles-Mann Martin Plass ergänzt spielen Andreas Heller und David Reumüller auch nach zwanzig Jahren ihre unheimlich drückenden Stoner-Schwergewichte auf der Bühne mit internationaler Klasse, schichten Riffs und Rhythmen mit einem so zwingenden Groove, bis auch Material von Bulbul und Jacques Brel nahtlos in den eigenen Sludge-Soundkosmos assimiliert ist.
Da rumort der Bauch und vibriert die Nackenmuskulatur, die neuen Nummern rund um das Aushängeschild Turning plätten mit einer spektakulär unspektakulären, zeitlosen Zuverlässigkeit – knackig und frisch, abgeklärt und hungrig. Nach sieben Jahren Studiopause setzten Reflector ohne Routine-Gefühl damit wohl eine ideale Erinnerung, dass man für die Schnittmenge aus Kyuss und Melvins weiterhin nicht in die Ferne schweifen müsste. Und befriedigen eventuell ja schon vorab all jene, denen Bada daraufhin ungeachtet der Erwartungshaltung zu unkonventionell agieren sollten.
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