Avril Lavigne – Love Sux
Travis Barker und John Feldmann treiben das Emo-Pop-Punk-Revival (auch durch den Erfolg von Olivia Rodriguez bestätigt) weiter voran, indem sie Avril Lavigne mit Love Sux ein Comeback in Wurzelnähe abringen.
Love Sux wirkt wie ein Reset für die musikalische Entwicklung der mittlerweile 37 jährigen Kanadierin Lavigne, die sich seit The Best Damn Thing ja hin zum Pop, aber auch zum Piano und zu gefühlvollen Balladen zu emanzipieren versuchte: Mit einer Platte „die einfach rocken“ solle, scheint es plötzlich, als wäre die Jahrtausendwende keine zwanzig Sekunden her und der Sk8ter Boi immer noch in greifbarer Nähe, mitten drinnen in der Renaissance des Poppunk. Gleich Cannonball pumpt auf der Überholspur flippig und frech gemeint, nimmt mit Bubblegum-Rebellion einen simplen Weg voller „Ohohooo“s, „Lalala“s und wenig nachhaltiger Singalong-Melodien vorweg, der seine plump-regressiven Texte eindimensional gegen jeden Reifungsprozess stellt.
Was so für die paradox-anachronistische Zielgruppe schon ziemlich schmissig funktionieren dürfte: Songs wie (das seinen Refrain dann doch zu nervig oft repetierende) Bite Me oder das Synthie-angestrichene Kiss Me Like The World Is Ending sind vielleicht keine wirklichen Killer-Hits, aber als barrierefreie Instant-Ohrwürmer gewissermaßen die effektivsten Blink-182-Songs seit Jahren. Und wenn der Titelsong rund um ein recyceltes Green Day-Riff die bouncend-tänzelnde Teenage-Party macht oder das fett stampfende Déjà vu nicht mehr aus den Gehörgängen will, dann reihen sich die potentiellen Singles hier doch ohne tatsächliche Konfliktpotential zumindest zwei Drittel der Spielzeit ziemlich fokussiert aneinander.
Die Gitarren aus der Mottenkiste holend klingt Love Sux dabei aber nicht nur wie die Fortsetzung von Let Go und Under My Skin, sondern auch ein weiteres Produkt des maßgeblich für die Entstehung der Platte verantwortlich zeichnenden Duos Barker und Feldmann.
Das extrem eingängige, aber auch kaum tiefenwirksame Songwriting folgt kompositorisch und (über)produktionstechnisch denselben (unnatürlichen polierten) Motiven wie alles, was die beiden formen – der Geschmack des formelhaften Baukastens bleibt sowohl substantiell als auch inszenatorisch allgegenwärtig. Daran ändert sich auch wenig, wenn Avalanche sich ausnahmsweise Zeit für einen erhebenderen Aufbau und Spannungsbogen nimmt, um den dann mit fett bollernder Synthwave-Breitseite in zuzukleistern, oder dem Album hinten raus – also bezeichnenderweise gerade auch, wenn Lavigne sich doch noch alleinige Credits bei der Urheberschaft holt – leider die Luft ausgeht. Spätestens bei der 08/15-Nummer F.U. zeigt sich, dass die immer selben Standards und Verhaltensmuster sich trotz unterschiedlicher Schattierungen und der knappen Gesamtspielzeit erschöpfen. Ein auf dem Weg zum Stadion befindlicher Clusterfuck wie All I Wanted (mit dem genesenen Mark Hoppus am Autopiloten) ist deswegen im finalen Drittel ebenso wenig interessant wie Dare to Love Me (ein aus der Breitband-Retorte kommender Kitsch-Blockbuster voll kraftvollem Schmonz) oder das den Kreis belanglos schließende Break of a Heartache.
Trotzdem steht man dem generisch im Zeittunnel zurückreisenden Einerlei wohlwollender gegenüber, als gedacht. Schließlich ist der Reigen über weite Strecken tatsächlich absolut kurzweilig, publikumsorientiert unterhaltsam auch irgendwo nostalgisch zündend, und vor allem, tja, authentischer, als Barker und Feldmann etwa Jason Aalon Butler, KennyHoopla oder Machine Gun Kelly verkleidet haben.
Letztgenannter ist übrigens auf Bois Lie zu Gast (und attackiert den guten Geschmack mit seelenlos bearbeiteter Stimme ärgerlicher, als etwa der nach Stangenware klingende Rap von Blackbear im mit elektronischen Dosen-Beats unterfütterten – und symptomatisch so debil betitelten – Love it When You Hate Me), bringt eine stromlinienförmig auf Schiene laufenden Platte ohne Ballast aber nicht aus der Spur. Diese regelrecht unbeirrbare Stringenz, die Lavigne charakteristisch über das konstruierte Marktwirtschafts-Reißbrett hinaustransportiert, muß man Love Sux durchaus zu Gute halten – auch wenn das diesen flüchtigen Sprint nüchtern betrachtet freilich zu keinem besseren (aber zwischen den Punkten liegend an dieser Stelle letztendlich aufgewerteten) Album macht.
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