Avey Tare – 7s
Nach dem formidablen Time Skiffs des Animal Collective-Mutterschiffs und der tollen Panda Bear-Kollaboration Reset lässt sich Dave Portner alias Avey Tare nicht lumpen und kredenzt mit dem über die Pandemiejahre gereiften 7s kurzerhand das stärkste Soloalbum seiner Karriere.
Um zu diesem Schluss zu gelangen muß man freilich die Einschätzung teilen, dass die Mitglieder des Animal Collective immer dann am besten sind, wenn sie einen konventioneller greifbaren Ansatz im Songwriting vor die spleenigen Weirdo-Experimente jenseits der abgeschossenen Nachvollziehbarkeit stellen – und genau dies tut Avey Tare auf seinem nominell erst vierten Alleingang: der Neo Psychedelic Pop dominiert das Kaleidoskop der Electro Acoustic-Klangwelten, überall halluzinieren die Melodien und Hooks.
Gleich zum Einstieg von 7s geht so regelrecht die Sonne auf, wenn da drei (zumindest am angestammten MO des New Yorkers gemessen) relativ astreine Ohrwürmer am Stück exemplarisch zugänglich und offen einladend, hell und warm den frohlockenden Strawberry Jam zurückholen. Invisible Darlings klackert und klickert unter Wasser um eine verspieltes Klavier-Loop betont optimistisch, catchy und liebenswert, typisch und eben doch etwas zugänglicher, bevor Lips at Night mit seiner Gitarre einem kontemplativ dösenden Groove dorthin folgt, wo das grandiose The Musical im sommerlichen Yacht-Modus voll wohliger Melancholie relaxt und als finalen Twist die behutsame Einkehr macht.
Womit der Raum für den ungezwungeneren Mittelteil geschaffen ist, in dem Hey Bog (lange ein ambientes Hybridwesen im Textur-Modus am elektrisch pfeifenden Dub, das aber eben langsam Form annimmt, die Melodien wie zufällig mäandernd herausschält und so mit einer nonchalant flanierenden Hypnotik fesselt) und Sweeper’s Grin (das über einen fast orchestral anmutenden Ozean schrammt, wobei nur die Oberfläche monoton repetitiv zu agieren scheint und der Hintergrund wie ein Organismus agiert, der das Geschehen phasenweise gar subversiv im Wellengang mutierend saitenweise stampfen lässt) auch die klar längste Spielzeit einnehmen und dabei demonstrieren, dass selbst die avantgardistischen Odysseen diesmal einfach mehr fesselnde Gravitation erzeugen, als Avey Tate das bisher zumeist wollte.
Auch wenn dabei vielleicht das letzte Quäntchen der euphorisierenden Energie der besten Animal Collective-Geniestreiche fehlt, bewegt sich 7s bis hierhin auch durch seinen fantastischen Flow nahe an der Ideallnie.
Allerdings bringt die Pandemie-Platte in ihrem letzten Viertel diese Stärken nicht mehr ganz so bestechend auf den Boden – oder pflegt zumindest doch noch ein paar erkennbare Schönheitsfehler. Neurons fasziniert zwar grundlegend als tripping zur Tanzfläche reizende Symbiose aus Noise Pop-Schattierungen und Texmex-artigen Bläser-Illusionen, repetiert seinen Titel als gar simpel getrickter Refrains dann aber doch an der latenten Nerv-Gefahr. Und Cloud Stop Rest Start mag dunkler und synthetisierten Cembalo ästhetisch an Thom Yorke’sche Soloausflüge erinnern,wirkt mittels Sprechgesang und segmenthafter Struktur jedoch seltsam unterwältigend; souverän, jedoch in letzter Konsequenz auch latent in der Luft hängend lassend.
Das droht 7s beinahe einen solchen Nachhall zu geben, dass man geneigt ist, die Platte unter Wert einzustufen – doch letztendlich wird die (zugegebenermaßen nicht unbedingt riesige) Erwartungshaltung hiermit dermaßen übertroffen, dass eine Aufrundung zwischen den Punkten in der Endwertung knapp okay geht und die aufgelegte Benotung um Haaresbreite zurückgelassen wird: Solo klang Avey Tare nie besser – auch, weil er diesmal näher als sonst an der tollsten Phase seiner Band agiert.
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