Ashenspire – Hostile Architecture
Kammermusikalischer Avantgarde Prog-Black Metal als brodelnder Speakers Corner: Ashenspire destillieren fünf Jahre nach Speak Not of the Laudanum Quandary auf ihrem Zweitwerk Hostile Architecture das erstaunliche Potential, das ihr eigenwilliger Stil-Chimäre provoziert.
Im Vergleich zum Empire-Historien-Alptraum-Debütalbum der Glasgowe wirkt Hostile Architecture nun nicht nur spielzeittechnisch kompakter, sondern ganz generell fokussierter, pointierter, schärfer und akzentuierter. Die Songs bekommen gleichermaßen mehr Raum zu atmen, wie sie mit mehr unmittelbar individueller, griffiger Reibungsfläche eine gewichtigere Präsent entfalten – was so auch am tollen übergeordneter Albumfluß liegt, der die richtige Balance aus Überforderung, Dynamik und Katharsis findet.
Aber freilich: so reizvoll Ashenspire nun nach der hinter Speak Not of the Laudanum Quandary gezogenen Option des Optimierungspotentials mit einem Plus an Momentum im Rücken ist, will sich der Suchtfaktor dennoch erst mit einer gewissen Eingewöhnungszeit einstellen.
Denn immer noch ist die Symbiose aus herausfordernden Avantgarde Black Metal-Kompositionen im Genre-Spießrutenlauf um vogelfreie Violinen und giftige Saxofonen-Tiraden desorientieren, potenziert durch den exzentrischen, mit massivem schottischen Akzent vorgetragenen Sprechgesang des prägnant auf der Litanei-Kanzel stehenden Leithammels Alasdair Dunn so eigenwillig, dass es auf den unbehaglichen Erstkontakt hin schon anstrengend und chaotisch, ja gar willkürlich übersättigend anmuten kann.
Eine Anti-Wohlfühlzone als Komfortbereich also, gespeist aus dem Brutalismus postmoderner Ballungsräume, Hierarchien des Kapitalismus und Perspektiven auf die Heteronormativität – als Herausforderung zwischen relativen Bezugspunkten wie Kayo Dot, Black Road, New Country und A Forest of Stars, einen existentialistischen Tobsuchtsanfall gegen das Establishment wie einen Strom im Fieberwahn hervorspeiend, manisch beschwörend.
Gleich der Opener The Law of Asbestos stellt dabei am Hackbrett auch das um einige namhafte Szene-Gäste erweiterte Personal der Platte vor – „Alasdair Dunn (Voice, Drums), Fraser Gordon (Guitars, Voice), Ben Brown (FALLOCH/BARSHASKETH, Bass), James Johnson (Violin, Voice), Matthew Johnson (Saxophone, Voice), Scott McLean (FALLOCH, Rhodes, Prepared Piano), Rylan Gleave (ALL MEN UNTO ME, T/B Voice), Amaya López-Carromero (MAUD THE MOTH, S/A Voice), Otrebor (BOTANIST, Hammered Dulcimer)“. Die Streicher und Bläser schwelgen altmodisch, die Riffs schnalzen zum vertrackten Rhythmus und den manisch beschwörend gerufenen und skandiert gesprochene Vocals, die Violinen trilleren wie im Wahn und ringen mit Elementen des Black Metal und Jazz gleichermaßen, bevor die wahnsinnige Predigt als Finale eine unwahrscheinliche Hook wiederholt, die mit tackernder Dramatik überwältigt: „Always three months to the gutter. Never three months to the crown./ Another deep breath of asbestos in a godforsaken town.“
Damit ist der ästhetische Ton gesetzt – und Ashenspire deklinieren ihn in Folge bei aller Homogenität durchaus variabel.
In Béton brut kocht die atonal vom Saxofon befeuerte Hirnwut an der Dissonanz kocht hoch und pendelt hinten raus fast nonchalant versöhnlich aus. Plattenbau Persephone Praxis lässt die Gitarren besonders dicht brutzeln und forciert atmosphärische Momente neben der Charismatik des am Math frickelnden Basses, der als halluzinogener Jazz kippt. Das sakrale Choral-Stück How the Mighty Have Vision fungiert als operettenhaftes Zwischenspiel (wo die Spielzeit der Songs im Herzen der Platte grundlegend zurückgeschraubt werden) wie eine gotische Wehklage aus der Schule von Scott Walker, derweil Tragic Heroin kompakter ausgelegt dringlich flimmert, Dunn sogar die Ansätze von Gesang in der postpunkigen Distanz zeigt. Apathy as Arsenic Lethargy as Lead gibt sich erst kontemplativer, dann theatralischer, flaniert zu Blastbeats im Pathos, bis die Lauerstellung sich in Gangshouts auflöst: „We are the cult of work/ We are the cult of labour sold/ We are the cult of work/ We are the cult of siphoned gold!“
Das neugierige Instrumental Palimpsest drosselt das Tempo, gibt sich rhythmisch schwieriger und implementiert Noir-Schwaden in der elegischen Nervosität, die verschroben gegen den Strich gackern, damit Cable Street Again umso manischer hetzend von der Tarantel gestochen wird, sich zur Mitte hin verzweifelt in Wehklang der Einkehr suhlt, im Trübsal frustriert weinend die ärgerliche Wut der Melancholie pflegt, zu guter Letzt aber die Zügel zu einem ungemein enger stehenden Aufbruch anzieht, einen Mahlstrom anrührt, der alle Tugenden der Platte gebündelt auf eine Plateau treibt.
„But this is where it ends/ There’s no middle road.“ faucht die Platte und ja, Hostile Architecture ist eine (wohlwahr mit nicht unbedingt universell packenden Emotionen eine Auftrittsfläche bietende) Platte ohne Mittelweg und Kompromisse, ohne Sichherheitslinie, die in den Extremen auf die Barrikaden steigt: „Get down off the fence before the barbed wire goes up“. Sehr speziell – sehr grandios!
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