Arliss Nancy – Wild American Runners
Ein Album für gewisse Stunden? Halbjahre? Oder doch ganze Lebensabschnitte? Sei es, wie es sei. Es sollte, um den dritten Streich des Quintetts aus Colorado als wirklich optimalen Hörgenuss zu empfinden, wohl eine gewisse „Erfahrenheit“ im Umgang mit Liebeskummer und Gefühlstiefe mitgebracht werden. Dann aber besteht eine wirklich gute Chance, ‚Wild American Runners‚ seine ganze Pracht als Spender von Wärme, Geborgenheit und Verständnis abzugewinnen; auch ohne im Anschlag gehaltene Whiskeyflasche als Mediator.
„Wenn ich jetzt ein unglücklich verliebter Mittzwanziger wäre, hätte ich eine neue Lieblingsband. So aber find ich die Musik trotzdem sehr geil!“ Diese Worte, von einem guten Freund des Rezensenten verfasst, umschreiben die Sache relativ präzise. Arliss Nancy appellieren an das Herz, und zwar durch und durch. Übermäßig rationales Denken wäre hier insofern schon fehl am Platz, als dass die Jungs aus Fort Collins im Aufbau leicht auszurechnen sind: Hier liegt gut gemachter, im Country verwurzelter Rock vor. In erster Linie also geradlinig, wobei vor allem das Piano sowie der Gesang die Akzente zuwege bringen.
Nun wieder zurück zur emotionalen, weitaus wichtigeren Komponente. Zunächst einmal gibt es zwei Leadsänger, namentlich Cory Call (Gitarre) und Kyle „GB“ Oppold (Bass), die inhaltlich zwar ähnliche Dinge aufgreifen, dabei aber unterschiedliche Energien transportieren. Thematisiert wird pauschal ein Dasein als Vollzeit-Band und die Konsequenzen, die das Leben an sich aus so einem Lifestyle zieht, ob nun gewollt oder nicht. Sprich: Verflossene große Lieben, kein „sicheres“ Zuhause und generell ständige Bewegung. Während Call seine jüngste Vergangenheit also auf nur allzu schmerzhafte Weise in die Gegenwart befördert (ganz groß: ‚Nathaniel‚ mit seinem a capella-Outro), entwickelt man bei Kyle Oppold das Gefühl, dass er mit dem, was war, eher positiv abgeschlossen hat bzw. sich voll und ganz auf die Straßen und Clubs, die vor ihm und Arliss Nancy liegen, konzentrieren will. Ein gutes Maß an „Scheiß drauf“-Attitüde eben! Da kann man sich bei ‚Nothing to Show‚ oder ‚Directions never Hold‚ trotz textlicher Schwermut schon mal beim befreiten Fingerschnippen während der Autofahrt ertappen.
‚Wild American Runners‘ ist auf jeden Fall deutlich nachdenklicher ausgefallen als das vorangegangene Schaffen der Band. Verglichen mit beispielsweise der EP ‚Truckstop Roses‚ fehlt auch ein wenig die punkig-kämpferische Haltung. Doch wenn gegen Ende hin noch mal so viel Seele in die Waagschale geworfen wird wie bei ‚The GB Shuffle‚ und dem Schlusspunkt ‚Vonnegut‚, der selbst Bruce Springsteen vor Neid erblassen lässt, dann ist es mir schleierhaft, warum das Album dieses Jahr nicht ganz vorne mitmischen sollte. Das ist Leben!
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