Ariel Pink’s Haunted Graffiti – Mature Themes
Wenn ein Album Erwartungshaltungen gnadenlos untertaucht und dadurch mindestens ebenso mühelos enttäuscht wie trotzdem immer wieder zu begeistern weiß – dann hat Ariel Pink einen Nachfolger zu ‚Before Today‚ geschrieben.
Es passt als Vergleichswert schon ganz gut, dass Pinks alter Keyboardkumpel John Maus diese Tage eine Raritätensammlung am Start hat, die sich stilistisch nicht allzu weit von dem positioniert, womit Ariel Marcus Rosenberg und seine Haunted Graffiti- Kombo um die Ecke biegen. Ob es etwas damit zu tun hat, dass es deren erstes Werk seit dem öffentlichen Wahrnehmungsschub und fokusierten Streich ‚Before Today‚ sein muss, spielt sicher eine gewichtige Rolle für die Rezeption von ‚Mature Themes‚, doch geht da schon ungeachtet dessen ein bisschen die Verwunderung nebenher mit ein, weswegen eine Raritätensammlung soviel weniger nach willkürlich zusammengewürfelten Ideen-Auffangbecken und mehr nach tatsächlichem Album klingen kann, als es das neue Haunted Graffiti-Album im Gesamten tut. Die Antwort darauf gibt Vordenker Ariel Pink zwischen den Zeilen allerdings gleich selbst und spricht damit sogar insgeheim die eigentliche Haupteigenschaft von ‚Mature Themes‚ aus: Pink manifestiert sich hier endgültig – weil auch aus dem alternativen Mainstream heraus fungierend – als ultimativer Freigeist, der losgelöst von allen Erwartungshaltungen und Verkaufsabsichten schlicht und (gar nicht mal so) einfach macht, worauf er Bock hat.
Das meint dann auch weniger in die Hose gegangene Parodie(?)-Interviews über Homosexuelle, als jene dreizehn Songs, die nicht zwangsläufig in mehr Relation zueinander stehen müssen, als es sie die ihnen zugrunde liegende, schwüle 80er Prätentiösität nicht ohnedies automatisch verbandelt. Da darf der Hitaspekt vom Vorgänger auf den ersten Blick einen Schritt nach hinten machen, ohne gleich wieder zum unklaren Lo-Fi Kriegsgebiet der Anfangsphase zu werden. Trotzdem wird die herrliche Soul- Vorabsingle ‚Baby‚ vorsichtshalber an die letzte Stelle positioniert, hat das Donnie and Joe Emerson-Cover im Vorfeld doch ohnedies schon genug Staub aufgewirbelt, deren gelegte Partikel nun allerdings ‚Mature Themes‚ nicht restlos formen und stemmen können, meist, weil sie es gar nicht wollen. So klatscht Pink in die Mitte der Platte den psychedelisch dümpelnden, enervierend dummdreisten ‚Schnitzel Boogie‚, der zwar genug Witz für 30 Sekunden hat, leider aber noch 4 Minuten länger dauert, und haut hinten nach das schon aufreibend neben der Spur vorgetragene Sex-Geständnis ‚Symphony of the Nymph‚ („My name is Ariel / And I’m a nympho„) um quasi sicherzustellen: Wenn man das nicht lustig findet, versteht man den Witz einfach nicht oder ist generell zu strukturiert eingestellt.
Umso widersprüchlicher – oder die Verweigerungshaltung auf die Spitze treiben? – ist es deswegen, dass Pink das Album nicht nur mit einem der besten Tracks beschließt, sondern es auch mit einem solchen eröffnet: ‚Kinski Assassin‚ („Who sank my battleship? I sank my battleship!“ – schon geht es los mit den Nonsens-Texten!) reisst gleich mehrere Hooklines vor billigen Synthiesounds an, fühlt sich aber nirgendwo restlos wohl und ist gerade deswegen rastlos einnehmend. Adäquate Nachfolger zu den Hits auf ‚Before Today‚ hat Pink diesmal eben nicht im Visier, zustande kommen dann aber doch einige, vor allem in der einnehmend unstimmigen vorderen Albumhälfte – obwohl selbst da hyperaktiven Spinnereien wie ‚Is This The Best Spot?‚ umherirren. Dafür reihen sich dann aber auch unwerfende Juwelen wie der tatsächlich anmutig und wunderschön poppende Titelsong oder das sogar noch bessere, die Beach Boys aus jeder perlenden Pore verehrende Folkpopschauspiel ‚Only in My Dreams‚ aneinander – wahrscheinlich sind aber gerade diese Songs nicht wirklich Ernst gemeint. Aber sei es drum: in diesem mit subtiler Gewalt zusammengeschweißten Puzzle entsteht zwar kein harmonisches Gesamtbild, dafür aber expressionistischer Pop-Wahnsinn. Wo man selbst die ziellose Pornodisco von ‚Driftwood‚ irgendwann einfach gut finden muss, weil es deswegen so gut passt, weil eben nichts passt. Ein einziges Paradoxon, diese Platte.
So ist ‚Mature Themes‚ ein Album geworden, auf dem beileibe nicht jede Idee zündet. Keyboardmelodien spielen verstecken hinter Schlagzeugbeats, die aus der Konserve oder zumindest einer dicken Nebelwand zu kommen scheinen, schaut mal eine Gitarre vorbei, klingt das gleich irgendwie nach 80er Hardrock und doch auch wieder gar nicht (‚Early Birds of Babylon‚), selbst ätherische Nicht-Songs sind möglich (‚Nostradamus & Me‚). Sprechgesang duelliert sich mit schiefen Hooklines, ist in Summe also wieder Musik, die eher von einem intellektuell-kunstvollen Standpunkt aus zu sprechen scheint, Popmusik für Bobo-Abende irgendwie, das braucht nur für seine besten Momente Bauchgefühl. ‚Mature Themes‚ knüpft den Bogen von nachvollziehbareren, packenderen und auch stimmigeren ‚Before Today‚ damit auf der einen Seite nahtlos weiter, sammelt aber gleichzeitig Ariel Pinks ältere Hörerschaft mit der Erkenntnis auf, dass die ganzheitliche Strukturierheit der vorangegangenen Platte doch nur sowas wie ein Betriebsunfall gewesen sein muss. Deswegen ist die Standortbestimmung ‚Adult Theme‚ oft eine am Genie tänzelnde Angelegenheit, meistens allerdings ein frustierendes Schaulaufen von Pinks gewaltiger Klatsche. Nur wirklich schlau , das wird man aus den 50 Minuten eigentlich niemals wirklich.
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