Arctic Monkeys – The Car
The Car bestätigt: Alex Turner will endgültig keiner der Strokes mehr sein, sondern zwischen Ohrensessel, Vintage-Desigberklamotten und Lavalampen, zwischen Lounge, Chillout-Bar und Fahrstuhl, betörende Brit-Chansons schreiben, als hätten Burt Bacharach und Stuart Staples versucht, einen Bond-Soundtrack aus der Kamera von Wes Anderson zu malen.
Seine Band folgt ihm dorthin bereitwillig, drosselt alles individuelle Können beinahe sedativ, um mit sanften Überblendungen in der Ästhetik der weichgezeichneten Songs (je nach Sichtweise unter- oder) aufzugehen. 20 Jahre nach ihrer Gründung im Windschatten der Kumpels von Milburn ist jedenfalls nichts Ungezügeltes mehr an den Arctic Monkeys, kein fetziges Momentum, die Melodien flanieren soft und entspannt. Das Quartett setzt also nicht wie so oft in ihrer Karriere auf einen neuerlichen stilistischen Twist, sondern auf Konstanz, und denkt den Weg des polarisierenden Tranquility Base Hotel + Casino konsequent weiter.
Distinguiert und ostentativ, prätentiös und borniert phrasiert Turner vor seinen kultivierten Kollegen abermals so formoffene, konventionellen Strukturen entsagende Mood Pieces im gefällig-gediegenen Tempo, vielleicht ein bisschen opulenter als 2018, selbstsicherer und den Bauch noch unangestrengter pinselnd: die subtile Steigerung eben. Das Labsal an der eigenen Harmonieseligkeit wirkt insofern nicht mehr wie ein Ausflug, sondern ist zumindest eine verinnerlichte Evolutionsphase, die etwas definitives in der zur Schau gestellten Reife hat.
Enorm angenehm, schöngeistig und wohlklingend zu hören ist das alles insofern spektakulär in einer elaborierten Zurückhaltung, als dass die vermeintliche Subtilität ja ziemlich dick aufträgt, über die Easy Listening-Berieselung akzentuiert und variabel arrangiert inszeniert ist: Die Melancholie blüht im wehenden Orchester, das sich von der Geste her nach dem intimen Club sehnt (was die kommende Tour in großen Hallen vor eine irritierende Ausgangslage stellt – auch, wenn man bedenkt wie unausgegoren bereits der Spagat in der Royal Albert Hall zuletzt wirkte) und mit einer gesunden Dosis Kitsch den Schmalz ausspart. Das Songwriting ist dafür noch weniger markant ausgeprägt als zuletzt, definiert sich expliziter über die Arrangements. I Ain’t Quite Where I Think I Am stackst etwa asketisch mit funky Gitarren-Gequengel durch die 60s-Coolness, Sculptures of Anything Goes pulsiert entschleunigt über düsteren Synth-Zeitlupen und Jet Skis on the Moat schunkelt am Klavier in die 70s.
Ja, die Arctic Monkeys sind in diesen neuen Maßanzügen und Seidenhemden endgültig angekommen und haben es sich im Ambiente ausladend gemütlich gemacht.
Weswegen die große Achillesferse von Tranquility Base Hotel + Casino auch entlang der bisweilen die vierte Wand aufweichenden Texte diesmal noch gewichtiger auffällt: Emotional packend, aufwühlend oder zwingend ist das alles kaum mehr, zumindest nicht auf universell interpretierbarer Ebene. Im verträumt wiegenden Anachronismus des Openers There’d Better Be a Mirrorball ermahnt Turner nach einem weichen Stakkato-Drama nicht umsonst zur Contenance – „Don’t get emotional, that ain’t like you“, während das jazzige Beckenspiel dem somnambulen Loop folgt, die elegante Grandezza im orchestralen Falsett schwadroniert: „Yesterday’s still leaking through the roof/ That’s nothing new/ I know I promised this is what I wouldn’t do/ Somehow giving it the old romantic fool/ Seems to better suit the mood“.
Dass der barocke Maskenball The Car mit seiner Tendenz zum einlullenden Plätschern alle Ecken, Kanten und Ausbrüche weich und plüschig hält, sorgt jedoch abermals für eine Ambivalenz im Spannungsbogen, was all die meisterhaften Details im Verlauf auch nicht gänzlich aufwiegen können.
Body Paint ist beispielsweise märchenhafte Elder Statesman-Kammermusik mit einem niedlichen Thema, da am Ende die Chance hätte, die Schrauben der Platte ausnahmsweise enger zu ziehen, doch lässt die Band diese großmütig verstreichen. Der Titelsong zupft dagegen an der Gitarre wie ein Ausläufer der Last Shadow Puppets und lungert durch die Romantik der Vergangenheit in pompös angedeuteter Melodramatik, kuschelt aber selbst dann cinematographisch, wenn die bratzend solierende Gitarre die Oberfläche streichelt.
Gerade hinten raus sorgt dies dafür, dass man das Album, das betonte Kunst sein willm, eher als grandiose Hintergrundmusik wahrnimmt, wenn Big Ideas mit E-Piano und Streichern unaufgeregt den eigenen Status Quo thematisierend schwadroniert, Hello You ein bisschen munterer, griffiger und beschwingter zum schunkelnd schippernden Mr Schwarz und seinen flüchtigen Hooks führt, bevor das ungewöhnlich straighte Perfect Sense versöhnlich schreitet und in seiner bittersüßen Stimmung einen rundum schönen, aber auch latent unbefriedigenden Abschluss ohne Klimax stellt – aber auch dadurch mit einer schier unendlichen wohlwollenden Wirkung entlässt: Dass The Car hier optimistisch die Aufrundung zu jener Bewertung bekommt, die seinem (doch besseren) Vorgänger an dieser Stelle bereits zugestanden wäre, tut wie die Platten selbst grundlegend ohnedies niemandem weh, doch stehen vor allem die Chancen sehr gut, es hier wieder mit einem ähnlichen Grower zu tun zu haben, der sich einen Vorschuß an Vertrauen verdient hat.
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