Archspire – Bleed the Future
Der nächste Level des nächsten Levels: Archspire perfektionieren die Formel von Relentless Motion mit Bleed the Future und spielen ihren Technical Death Metal derart furios, dass sich wohl auch wirklich zukünftige Generationen noch die blutenden Zähne daran ausbeißen werden.
Man kommt nicht umher zu mokieren, wie enorm komprimiert der fast schon zu makellose Sound von Bleed the Future produziert ist: Frontale Lautheit und dichter Druck aus dem Studio von Dave Otero gehen da über alles, eine große Bandbreite im Klangraum ist hingegen abermals nicht das Ding der Kanadier.
Allerdings passt dieser kaum organische Ansatz ästhetisch irgendwo weiterhin nur zu gut zu einer Band, die technisch fast schon übermenschlich virtuos klingt: Archspire beherrschen ihre Instrumente, wie man längst weiß, auf geradezu absurd versierter Ebene und spielen ihre ebenso brutalen wie überraschend catchy nuancierten Songs mit einem unpackbar rasendem Tempo samt intensiver Präzision.
Dass das vierte Studioalbum von Oliver Rae Aleron (vocals), Spencer Prewett (drums), Dean Lamb (guitars), Tobi Morelli (guitars) und Jared Smith (fretless bass) dabei in praktisch jeder Hinsicht bloß ein Update des in neue Dimensionen vordringenden Vorgängers geworden ist, schmeichelt der Wahrnehmung auch nur auf den ersten Blick nicht – weil Relentless Motion nüchtern betrachtet auch durch den getätigten leistungstechnischen Entwicklungsschritt beeindruckender vorstellig wurde, während Bleed the Future den bisherigen Zenit allerdings kurzerhand einfach nochmal um das Quäntchen überholt.
Die neuen 32 Minuten der Gruppe aus Vancouver begreifen über 32 Minuten einmal mehr die nie übersättigende, sondern süchtig hinterlassende Kompaktheit als absolute Tugend, pumpen in diese Stringenz noch mehr Dynamik und individueller aufzeigende Szenen, streuen in Slam-Parts und Grind-Attacken erstaunlich viele Hooks. Alleine schon wie die Titelzeile von Drone Corpse Aviator nicht mehr aus dem Schädel will, bevor Archspire den Opener über einen zurückgenommenen, melodischen Zwischenteil praktisch auf Hit schalten – und mit dem Titelsong später in ähnlicher Auslage gleich noch einen drauflegen. In Golden Mouth of Ruin growlt und grunzt Aleron als wäre er ein gutturaler Rapper auf Speed, seine charakteristische Performance alleine sorgt schon für ein absolutes Alleinstellungsmerkmal, während Abandon the Linear als mit viereinhalb Minuten längste Nummer ein klein wenig unausgegorener und mäandernder anmutet, dafür aber elegische Space-Weiten anvisiert.
Drain of Incarnation erhebt sich aus der Atmosphäre des verträumtes Prog und platzt in eine herrliche dringliche Dramatik voll heroischer (Solo)Motive, Acrid Canon groovt böse und Reverie on the Onyx zollt mit märchenhaft atmenden Sprengseln Mozart Tribut, obwohl die Band eigentlich jede Interpolarisation hymnisch zerlegt.
Das einleitende Sample von A.U.M., das später noch bis zum jazzigen Ambiente tackern wird, reißt dann (als im Grunde einziges überrschendes Element einer sonst im nahezu idealen Sinne die Erwartungshaltung erfüllenden Platte) ein bisschen aus der rauschhaften Sogwirkung, ist aber auch ein amüsantes, kontrastierendes Sinnbild dafür, wie wenig sich Archspire selbst ernst nehmen müssen, um am permanenten Limit eine Leistungsshow mit Spektakelwirkung zu entfachen.
Und dafür, dass Bleed the Future primär unfassbaren, so unfassbaren Bock macht, als unbedingte Euphorie-Schlachtplatte jenseits von exzessiver Aggressivität oder sonstiger vielschichtiger Emotionen vor allem ständig ein fettes Grinsen ins Gesicht zaubert, den Spaß an der Sache aufs Podest stellt. Nie verliert sich die Gruppe in klinischen Tech-Demonstrationen, sondern liefert zu Ende gedachte, starke Songs, die Hand und Fuß, Hirn und Verstand haben, pumpt das Herz muskulös mit Endorphinen und Adrenalin auf, und macht damit alles richtig: Die Seele dieser Platte ist jenseits der klinischen Perfektion zu finden, indem sie die pure Freude am extremen Metal substantiell zelebriert.
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