Architects – For Those That Wish To Exist
Hat man Architects zuletzt auch alleine aus Nostalgiegründen (egal ob die Band selbst oder den Metalcore als Genre betreffend) die Stange gehalten, gehen mit For Those That Wish To Exist die Lichter drastisch aus: Das neunte Studioalbum der Briten kommt einem Offenbahrungseid gleich.
Was Parkway Drive, Royal Thunder und (die aus einer ganz eigenen Liga kommenden und damit einer anderen Fallhöhe ausgestatteten) Biffy Clyro mit Architects zu tun haben – außer der Tatsache, dass alle genannten Bands ihre besten Tage aus kreativer Hinsicht hinter sich gelassen zu haben scheinen, während man kommerziell ungebremst erfolgreich im Saft steht?
Ein Blick auf die Gästeliste von For Those That Wish to Exist klärt auf: Winston McCall demoliert in Impermanence (einer unausgegoren, aber umso entschlossener zwischen Epik und Heaviness stampften Industrial-Annäherung), Mike Kerr steuert Vocals und grausame Zeilen für das poppige Little Wonder bei, und der ausnahmsweise wieder einmal energisch brüllen dürfende Simon Neil ist im Clusterfuck Goliath zu finden.
Ob man diese Besuche am Mikrofonständer als gewinnmaximierende Maßnahmen oder aber als Versuch betrachten will, jenes Loch zu füllen, dass nach dem Ableben von Mastermind Tom Searle den Qualitätsstandard der Band nach unten korrigiert hat, spielt dabei eigentlich keine Rolle: Die externen Akzente ändern so oder so nichts daran, dass Architects fünfzehn Jahre nach ihrem Debüt über einen penetranten Eklektizismus mit Mainstream-Ambitionen in einer zutiefst formelhaften Austauschbarkeit angekommen sind und auf For Those That Wish to Exist eine knappe Stunde lang nicht aus den baukastenartigen Genre-Klischees finden wollen.
Die vorausgeschickten Singles um das prollige Festival-Geprügel Animals waren insofern ein ebenso zuverlässiger Indikator wie die Feature-Kartei, wenn For Those That Wish to Exist praktisch ausnahmslos aus genormten Fließband-Produkten im Hochglanz besteht: Gefühlt arbeitet jeder einzelne Song nach dem selben Holzschnitt-Muster (selbst die einzelnen Spielzeiten scheinen mit der Schablone am Reißbrett für Airplay-Potential bemessen) – zwischen standardisierten Breitseiten und Walzen schieben sich weiche, cleane Passagen mit gepresst-gekrähten Gesang, die sich mit groß gemeinten, aber letztlich plump anbiedernden Refrains im kitschigen Pathos gestikulierend direkt hinter Jason Aalon Butler für das Vermächtnis von Chester Bennington bewerben. Die Stadionrock-Option wird also anhand der schwächsten Szenen von Konsorten wie Linkin Park oder Bring Me the Horizon gezogen.
Dass der Band dabei mittlerweile keine interessanten oder zumindest packenden Melodien mehr einfallen, wenn die Tendenzen der Vorgängerplatte Holy Hell destilliert werden, ist im uninspirierten Songwriting neben der generischen Produktion und wirklich störend unterirdischen Texten ein weiteres Symptom einer letztendlich frustrierenden Angelegenheit, deren Problem auch ihre ermüdende Länge ist. In einem übersättigend mühsamen, erschreckend banalen Einheitsbrei verschwimmen die einzelnen Segmente des den Metalcore nur noch weit entfernt aus dem Alternative Metal betrachtenden Metier einfach mit jeder Minute, wo man selektiven Einzelsongs mit viel Wohlwollen zumindest noch einen effektiven Unterhaltungswert attestieren kann.
Hängen bleibt gerade im Ganzen, in einem immer gleich klingenden Wulst, in dem Emotionen nahezu ausnahmslos durch Kitsch erzeugt werden, allerdings kaum individuelles.
Der Opener Do You Dream of Armageddon? installiert mit heroischem Vorschlaghammer etwa elektronisch unterspülte Beats und opulenten Orchester-Bombast – und immer wieder werden diese Arrangement-Gimmicks die Kompositionen von For Those That Wish to Exist im weiteren Verlauf überhöhend aufzublasen versuchen – und Black Lungs ist als mitgröhlbarer Brecher sicher eine zuverlässige Bank für Freunde der Szene, doch trägt das Nu Metal-infizierte Stück spätestens an seinem zugekleisterten Ende zu dick auf. An Ordinary Extinction flirtet etwas direkter mit dem seelenlosen Djent und der nahtlos eingeflochtene Elektropop von Flight Without Feathers klärt all die Imagine Dragons-Verweise praktisch im Alleingang. Meteor kennt keine Angst vor geschmacklosen „Ohohooo“-Werkzeugen, bevor Dying Is Absolutely Safe die Klammer um die Platte besonders behutsam und ruhig zu schließen versucht, mit Streichern und Chor einen schöngeistigen und versöhnlichen Ausklang anbietet, der wie alles hier abseits seiner stilistischen Veranlagung jedoch unmittelbar wieder vergessen ist.
Eine Geschichte, die beinahe tragisch sein könnte – wäre sie nicht in erster Linie so verdammt egal.
Kommentieren