The Antlers, Marika Hackman [16.10.2014: Flex, Wien]

von am 18. Oktober 2014 in Featured, Reviews

The Antlers, Marika Hackman [16.10.2014: Flex, Wien]

Knappe zwei Stunden lang spinnen The Antlers einen betörenden Kokon um das (als Location für einen derart erhaben strahlenden Indierock eigentlich  beinahe zu wenig herausgeputzte) Flex und vertiefen sich regelrecht hypnotisch in ihrer ganz eigenen Welt. Ein getragenes, ganz wunderbares Spektakel.

Als Darby Cicci sich unmittelbar vor dem als erster Zugabe gebrachten ‚Refuge‚ von seinem Keyboarder wegdreht um Drummer Michael Lerner spitzbübisch die Zunge zu zeigen und beide darüber in ein verschmitztes Grinsen auszubrechen, während Bandchef Peter Silberman sich mit einem „Ach diese zwei„-Blick wundert, worüber sich seine beiden Kumpel da wohl amüsieren, bleibt das einer der wenigen Moment an diesem Abend, an dem The Antlers abseits ihrer Musik zu existieren scheinen. Silberman treibt mit Schlafzimmerblick durch das Wellenspiel seiner Songs, Cicci und samt ergänzende Tourunterstützung am zweiten Keyboard glänzen daneben ohne erkennbares Mienenspiel. Einige wenige gehauchte „Thank You„s seitens Silberman bleiben über weite Strecken die einzige Interaktion mit dem Publikum, und ja, auf zwischenmenschlicher Ebene herrscht das gesamte Konzert über doch ein gewisses Distanzgefühl zwischen Bühne und den statisch gebannten Zuhörern. Was an diesem Abend aber eben zählt, ist rein die zum tragen kommende Tiefenwirkung, die The Antlers mit ihren sich magisch ausbreitenden Klangwelten zaubern und denen abseits Silbermans androgyn-engelhafter Stimme als Zentrum noch mehr Entfaltungsmöglichkeiten eingeräumt werden als auf Platte.
Die Facetten verschieben sich im Livegewand mit akribischer bis nachdrücklicher Sorgfalt. Jedem der dreizehn Songs wird ein langes, die richtige Atmosphäre einfangendes Ambientinterlude vorangestellt, Silberman taucht zum Effektpedal ab und erhebt sich erst am kompositorischen Startpunkt der regulären Studioversionen wieder. In ‚Palace‚ läuft die Hi-Hat markant, obgleich der Opener von ‚Familiars‚ (das bis ‚Intruders‚, und durch einige wenige ältere Songs unterbrochen praktisch am Stück gebracht und) noch sphärischer inszeniert wird; ‚I Don’t Want Love‚ langt beherzt zu und in ‚Surrender‚ schält sich das Marschschlagzeug deutlicher hervor. (‚Putting the Dog to Sleep‚ als Closer der regulären Setlist bleibt zwar verhältnismäßig nahe an der ‚Burst Apart‚-Version – aber es sollte einfach explizit erwähnt werden, wie unsterblich dieser Song einfach in jedem Gewand strahlt!) ‚No Widows‚ erhält zusätzliche Waldhorn-Unterstützung und überhaupt drängen die extrem dominanten Bläser auf der Bühne prominent in den Vordergrund: in ‚Doppelgänger‚ sorgen zwei Trompeten für ein wildes Freejazz-Arrangement rund um die zurückgenommene Nummer, dennoch enden die Antlers das Stück als kakophonisches Inferno. Sowieso ist der Zug zum sich hineinsteigernden Exzess die natürlich Entwicklung der getragenen Setlist auf dieser Tour: die Spannung verdichtet sich, das Kopfkino schwebt wie in Trance durch den Raum und das gelungene, sparsame Lichtdesign sorgt für zusätzliche Dynamik, bis die Band die verzauberte Stimmung stets mit klarer Hand einfängt.

Epilogue‚ beginnt so rein auf Silberman, seine Gitarre und ein Meer aus Melodien reduziert. Ein trauriger Herzschlagbeat setzt irgendwann am Schlagzeug ein und die ergreifende Intimität explodiert schließlich mit eruptiver Wucht, als die zwei Keyboarder wieder auf die Bühne kommen und die melancholische Schönheit mit postrockiger Ausführlichkeit über die Klippe jagen.
Zu bekritteln gibt es da nur wenig: dass man das Set der mutmaßlich (den letzten Songminuten zu urteilen) enorm elegant schwebenden Alt-J-Kollaborateurin Marika Hackman verpasst hat, muss man sich ob der vorbildlich pünktlichen Beginnzeit selbst ankreiden; dass die Setlist von The Antlers mit dem klaren Fokus auf ‚Familiars‚ sich vor allem auf das schwelgende Element der Band konzentriert und viele alte Fanlieblinge zwangsläufig ausgeklammert werden, wird die Sache alleine aus Sicht der Musiker auf lange Sicht spannend halten; und dass ein derartiger Konzertabend eigentlich nach einem bestuhlten Rahmen verlangt hätte, bleibt letztendlich nicht mehr als ein verlockendes Gedankenspiel. Am Ende bedankt sich Silberman dann doch noch ausführlicher, taucht aus doch noch aus dem Klangkosmos seiner Band auf, schnipst sein Plektrum mit halb geschlossenen Augen in die Zuschauermenge und wie geplant punktgenau mitten hinein in den leeren Getränkebecher eines Fans. Ein Bild, das passt.

Setlist:

Palace
Doppelgänger
Hotel
Kettering
No Widows
Director
Revisited
Parade
I Don’t Want Love
Surrender
Putting the Dog to Sleep

Encore:

Refuge
Epilogue

 

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