The Antlers – Familiars

von am 23. Mai 2014 in Album, Heavy Rotation

The Antlers – Familiars

The Antlers schlüpfen nahezu formvollendet aus dem Kokon den sie mit ‚Undersea‚ zu spinnen begonnen haben, um als traumhaft schwelgende Mitternachtsband ein weiteres Mal die unendliche Schönheit der Melancholie zu vermessen.

Werfen Bands derart übermannende Singles vorab ins Rennen wie The Antlers es mit dem auf ‚Familiars‚ auch den Opener gebenden ‚Palace‚ getan haben – die darauf aufbauenden Alben scheitern an einer solchen Hürde zumeist. Im konkreten Fall des fünften Studioalbums der Brooklyner hieße das: von einer zum Sterben anmutigen Schönheit erdrückt zu werden, die die originären Soundlandschaftten von The Antlers kaum mehr aus zugänglichen Indiewelten speist, sondern die Facetten deutlicher in Richtung Noirjazz-Postrock, Slowcore-Dreampop und Ambient-Soul verschiebt. Die Pianoakkorden perlen da leise, wehmütigen Trompetenwälle geistern durch den Hintergrund, jazzig aufblühende Schlagzeugrhythmen erden Peter Silberman’s sanft streichelnde, androgyner und verletzlicher denn je klingende Stimme inmitten stimmungsvoll leuchtender Synthiewolken. Um es vorwegzunehmen: ‚Palace‚ bleibt herausragend. ‚Familiars‚ geht aber nicht vor dieser Meisterleistung in die Knie, wächst auch nur insofern im Schatten dieser tränenreichen Meisterleistung in der eingeschlagene Richtung, als dass die Single der unmittelbarste und zugänglichste Haltepunkt der Platte bleibt.

Genau genommen wirken die nachfolgenden 8 Songs sogar derart bedingungslos aus einen Guss, dass ‚Familiars‚ auf den Erstkontakt geradezu ernüchternd gleichförmig und monoton wirken kann. Das Trio hat sich weiter in sein Schneckenhaus zurückgezogen und praktisch den Gegenpol zum in seiner Vielfältigkeit strahlenden Vorgänger ‚Burst Apart‚ aufgenommen, das Full Lenght-Update von ‚Undersea‚ und vielleicht sogar die verschlossene Steigerung von ‚Hospice‚ mit geänderten Mitteln. Ruhig und unaufdringlich plätschert hier ein Album-Album das man vor allem am Stück konsumieren wird, mit niemals ausbrechender Anschmiegsamkeit schwelgend und ohne jegliche Geltungssucht reklamierend, durch ein stilles Meer aus niemals greifbar werdenden, zartschmelzenden Melodien und trübseligen, im Suizid jubilierenden Bläsern in unwirklich gespenstischer Melancholie treibend: ‚Familiars‚ scheint die gesamte Last der Welt auf den Schultern mit tänzelnder Leichtigkeit zu ertragen, in jeder Sehnsucht das Betörende zu sehen.
Familiars‚ ist homogen bis zur Erschöpfung und damit vor allem bei flüchtiger Bekanntschaft homogener als ihm augenscheinlich guttut: etwas mehr Bandbreite in den wohlig texturierten Klangschichten und auch weniger Vorhersehbarkeit in den charakterbildenden Arrangements (niemals war die Präsenz von Multiinstrumentalist Darby Cicci gefühltermaßen markanter, die instrumentale leistung des Trios bestechender) hätte die Vorzüge des Album wohl tatsächlich noch stärker zur Geltung gebracht: alleine über die Frage ob etwa das Finale von ‚Doppelgänger‚ „spannender“ geworden wäre würden die Trompeten nicht das zaghaft aufkeimende Streicherinstrumentarium im Keim ersticken ließe sich wohl leidenschaftlich diskutieren.

Doch trotz – oder gerade wegen? – des vermeintlichen Mankos der beinharten Linearität wächst dieses zutiefst romantische, lichtscheue Nachtschattengewächs immer dichter zusammen – und nach und nach auch über sich hinaus; erschafft ein heimeliges, in sich geschlossenes Universum, eine zeitlose Blase, die sich als (un)heimlicher Grower sondergleichen als wahre Meisterleistung in Sachen atmosphärischer Zuneigung entpuppt. Auch, weil The Antlers abseits offensichtlicher Varianz das Spiel der Dynamik anhand kleiner Gesten regelrecht perfektioniert haben.
Ständig lassen sich neue Lieblingsmomente auf ‚Familiars‚ ausmachen, während der Reigen insgeheim als  einfühlsamer Hoffnungsschimmer gedeiht: wie ‚Doppelgänger‚ sich nach 90 Minuten kurz zur elegischen Hymne aufschwingt, über die restliche Spielzeit aber doch lieber wieder zu Vorhänge zuzieht um entspannt vor sich herzudösen, ‚Hotel‚ leidend um ‚I Don’t Want Love‚ tänzelt oder das stolpernde ‚Intruders‚ seine Emotionen flehend in die Dunkelheit hineinklagt. ‚Director‚ schließt die Augen, öffnet sich vorsichtig, blüht nach und nach auf und schickt gar ein weihevolle Solo Richtung Softrock, während das gleitende ‚Revisited‚ wie ein behutsamer Hauch von Death Cab for Cutie umspült und ‚Parade‚ nahezu unmerklich am Intensitätsrad dreht, obgleich sich die Band hier doch ohne definiertes Ziel vor Augen verläuft. Deutlich griffiger gibt sich da schon das mit Besen geschlagene ‚Surrender‚, besonders wenn Silberman seine vage Poesie hinten raus mit bestechender Führung verflicht.

Well, our mercy is a boundary we’ll surrender when love is a safer place we both remember/Like an old estate that stands in no location at the edge of an age of endless renovation/And while all that noise competes for our attention, we’ll meet on a quiet field in our own dimension/We’ll step inside a world far less demanding when we allow for something less commanding“ heißt es da und letztendlich gewähren The Antlers spätestens mit dem abschließenden ‚Refuge‚ sogar doch noch ein Mindestmaß an Optimismus samt verhaltenem Sonnenschein am Horizont.
Familiars‚ ist dennoch definitiv keine Platte für jede Gelegenheit – aber eine akustische Traumlandschaft wie geschaffen um im Trancezustand zu versinken, ein entschleunigter, berührender Rückzugspunkt und bezaubernder Seelenbalsam, der im richtigen Moment eventuell gar wertvoller sein kann als eine innige Umarmung. Wenn man so will haben The Antlers damit das Album aufgenommen, das Coldplay mit ‚Ghost Stories nicht gelingen konnte, das weniger aufgelöste Pendant zu  A Whisper in the Noise’sTo Forget‚ oder doch die Popvariante zu den Ausflügen des Mount Fuji Doomjazz Corporation/Kilimanjaro Darkjazz Ensemble  –  vor allem aber ihren beeindruckenden Schaffenshöhenflug fortgesetzt. Denn darüber, dass ‚Palace‚ die Latte doch ein klein wenig zu hoch angesetzt hat kann eigentlich nichts derart hinwegtrösten wie die nachfolgenden 48 Minuten.

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